Uncharted - Das vierte Labyrinth
an die Hoffnung, dass die Wächter der Verborgenen Welt ihn zum vierten Labyrinth gebracht hatten. Alles deutete darauf hin, dass dieses Labyrinth sich hier, in dieser Stadt, befand. Doch bis sie es gefunden hatten, gab es keine Gewissheit, dass Sully wirklich noch unter den Lebenden weilte. Was ihm am meisten zu schaffen machte, war, dass sie nicht nur Gefangene der Behörden, sondern auch ihrer eigenen Ignoranz waren. Ja, sie waren in Nanjing. Die Wahrheit sah aber so aus, dass sie dem Labyrinth keinen Schritt näher gekommen waren. Solange sie nicht wussten, wo genau es sich befand, waren all die Fakten, die sie hatten, nutzlos.
Während Jada schlief und Corelli wieder in den Standby-Modus wechselte, zermarterte Drake sich das Gehirn. Er versuchte sich an alles zu erinnern, was er über Nanjing wusste, um logisch an ihr Problem heranzugehen. Sie hatten keinen Zugang zum Internet. Corelli konnte nicht mal im Hauptquartier von Phoenix Innovations anrufen, um Yablonski um Hilfe zu bitten. Im Moment war Drake also allein mit diesem Rätsel.
Als das Sicherheitsteam sie von der Landebahn hierher eskortiert hatte, waren sie durch einen Korridor mit Werbepostern an den Wänden gekommen. Eines davon hatte einen U-Bahn-Zug und eine Karte mit diversen unterirdischen Transportlinien gezeigt. Drake konnte kein Chinesisch lesen, aber die Worte „Nanjing“ und „Metro“ waren in Englisch gewesen. Das Plakat hatte ihm zu denken gegeben. Falls die Stadt über dem vierten Labyrinth erbaut worden war, hätte man im Verlauf der Jahre doch schon längst auf den uralten Irrgarten stoßen müssen, schließlich gab es Keller, U-Bahn-Linien, unterirdische Einkaufszentren und seit Neuestem auch bomben- und erdbebensichere Bunker.
Wenn sie Gelegenheit hätten, ein wenig in den städtischen Archiven herumzuschnüffeln, würden sie bestimmt einige Geschichten über Arbeiter finden, die während der Ausgrabungen bei diesen unterirdischen Projekten verschwunden waren. Angenommen die Wächter der Verborgenen Welt waren schon zweitausend Jahre vor der Gründung der ersten echten Stadt auf dem Gebiet des heutigen Nanjing hier gewesen, dann waren sie bestimmt seit jeher darauf bedacht, Bauarbeiter fernzuhalten. Das Labyrinth mochte sich tief unter der Erde befinden, aber Drake bezweifelte, dass es tiefer lag als das U-Bahn-System.
Sie brauchten eine Karte der Metro von Nanjing, und dann mussten sie einen Teil der Stadt suchen, in dem es keine unterirdischen Tunnel gab, ein Bereich, der groß genug war für ein Labyrinth wie das auf Thera. Dabei mussten sie auch die Legende des Dämons in Betracht ziehen, der angeblich zu Zeiten der Ming-Dynastie unter den Stadttoren gelebt und während des Wiederaufbaus unachtsame Arbeiter gefressen hatte. Vor langer Zeit hatte Nanjing einmal dreizehn Tore gehabt, von denen heute nur noch eines übrig war. Drake wusste, dass es einen anderen Namen trug, aber unter den Touristen, die in Scharen dorthin strömten, war es schlicht als „Das Tor Chinas“ bekannt. Er selbst hatte nur Bilder davon gesehen, aber nun bekam er es nicht mehr aus dem Kopf.
Er drehte sich um und sah, dass Corelli ihn noch immer beobachtete. Jada begann, sich auf dem Sofa zu regen, dann schlug sie die Augen auf. Kurz lächelte sie ihn an. Doch dann war es, als würde ein Vorhang aus Schmerz vor ihre Augen fallen, und Drake wusste, dass sie sich wieder an die Ereignisse der vergangenen Woche und das Wo und das Warum ihres gegenwärtigen Aufenthaltsortes erinnerte. Er dachte an diesen Moment seliger Unwissenheit, den sie in dem Nebel zwischen Schlafen und Wachen gehabt haben musste, und beneidete sie darum.
Die Tür zum inneren Büro schwang auf, und die drei blickten hinüber. Als eine Wache hereinkam, atmete Drake enttäuscht aus, doch der Chinese schloss die Tür nicht wieder hinter sich, sondern hielt sie für Henriksen und Olivia auf. Die beiden hatten exakt den gleichen Ausdruck im Gesicht: eine Mischung aus Arroganz und Zorn über die Unannehmlichkeiten, die man ihnen zugemutet hatte. Im Schlepp hatten sie die beiden Diplomaten und einen Beamten der Polizei von Nanjing. Durch die Glaswand konnte Drake sehen, wie der Regierungsheini im dunklen Anzug auf den Direktor der Flughafensicherheit einredete. Keiner von ihnen machte einen sonderlich fröhlichen Eindruck, was seine Vermutung von vorhin bestätigte. Man würde sie nun gehen lassen.
„Komm schon“, sagte er zu Jada. „Verschwinden wir von hier.“
Eine Limousine
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