Uncharted - Das vierte Labyrinth
vor.
Der Ägypter führte sie zu einem Volvo-Kombi mit getönten Scheiben, der zwischen der Hütte und dem Frachtterminal parkte. Kurz bevor sie den Wagen erreichten, fragte Sully mit leiser Stimme, sodass niemand sonst es hören konnte: „Was ist mit den Waffen, über die wir gesprochen haben?“
„Ich hab doch gesagt, du musst dir keine Sorgen machen“, entgegnete Chigaru. „Wir holen die Waffen noch vor den Snacks.“
Er öffnete die Fahrertür und ließ sich hinter das Lenkrad fallen. Sully lächelte Drake und Jada zu, als wäre er ein kleiner Junge kurz vor der Weihnachtsbescherung.
„Na, das ist doch mal was. Wenn man das nächste Mal auf uns schießt, können wir uns wenigstens revanchieren“, meinte er und stieg auf der Beifahrerseite ein.
Drake öffnete derweil die hintere Tür für Jada.
„Dann ist ja alles in Butter“, flüsterte sie mit erzwungener Lockerheit. Der Gedanke an Waffen und weitere Schießereien behagte ihr wohl ebenso wenig wie Drake.
„Zumindest für den Moment“, nickte er.
Er wollte schon hinter Jada in den Fond steigen, als ihm plötzlich ein Schauder über den Rücken kroch. Obwohl sie bereits die Kühlbox aufgemacht hatte und ihm ein eisgekühltes Mineralwasser hinhielt, verspürte er das Verlangen, über die Schulter zu blicken.
Er hatte das ganz bestimmte Gefühl, dass man sie beobachtete. Dieses Gefühl hatte er schon oft gehabt, und leider hatte es sich meistens als richtig erwiesen.
Die Auberge du Lac war einst als Jagdschloss für König Farouk, den letzten Monarchen von Ägypten, erbaut worden, aber das Gebäude erinnerte Drake eher an die frühen Tage von Las Vegas. Die weiß getünchten Wände, die Palmen – es fehlte eigentlich nur noch ein Plakat, das den nächsten Auftritt von Frank Sinatra ankündigte. Das Hotel lag am Ufer eines Sees, der zur Fayum-Oase gehörte, nicht weit von der eigentlichen Stadt Fayum entfernt, einem nach lokalen Standards modernen Industriestandort.
Man musste aber nur in sein Auto steigen und eine Stunde fahren – ganz egal in welche Richtung – und schon sah die Welt völlig anders aus. Innerhalb dieses Radius befand sich nämlich nicht nur das Tal der Wale – ein stiller, endloser Wüstenabschnitt, wo die Fossilien von uraltem Meeresgetier unter dem Sand überdauert hatten – , sondern auch eine Gruppe von Pyramiden und die Wasserfälle, die zur Fayum-Oase gehörten. Letztere waren Teil eines Bewässerungssystems, das bis in die Tage von Ptolemäus zurückreichte. Das Wasser des Nils wurde über sie umgeleitet, um die landwirtschaftliche Nutzung der Gebiete zu ermöglichen. Einige der Wasserfälle, wie der Wadi el Rayan, waren aber neueren Datums und speisten ein modernes Wasserkraftprojekt. In dieser Region hatte es früher nicht sehr viel Tourismus gegeben, aber inzwischen nahm die Zahl der ausländischen Besucher beständig zu.
Das gesamte Gebiet – Täler, Pyramiden, Wasserfälle, alles – war vor langer Zeit ein Teil von Krokodilopolis gewesen, der Stadt der Krokodile, die ihren Namen den Reptilien verdankte, die in der Antike in immenser Zahl die Seen bevölkert hatten. Wie Kom Ombo, das erst später erbaut worden war, hatte auch Krokodilopolis den Anhängern des ägyptischen Krokodilgottes Sobek als Pilgerort gedient. Der Kult von Sobek hatte einen riesigen Tempel erbaut und dort die Krokodile, die ihre Gottheit repräsentierten, mit Gold und Edelsteinen geschmückt.
Archäologen waren schon vor Jahrzehnten auf die Ruinen des Tempels von Sobek gestoßen, und obwohl sich die Legenden über ein Labyrinth in Krokodilopolis hartnäckig gehalten hatten, war dieser Teil des Tempels doch nie entdeckt worden – bis ungefähr ein Jahr nach Beginn des Wadi-el-Rayan-Wasserkraftprojekts Wasser aus der Fayum-Oase in die künstlich angelegten Seen in der Gegend geleitet worden war. Zwei dieser Seen gab es auch heute noch, aber der dritte war auf rätselhafte Weise ausgetrocknet. Natürlich hatte man Nachforschungen angestellt, und die Überraschung war groß gewesen, als die Wissenschaftler herausfanden, dass das Wasser gar nicht verdunstet, sondern tatsächlich in die Überreste des Labyrinths von Sobek hinabgesickert war.
Das letzte Geheimnis des Sobek-Kultes war also durch bloßen Zufall gelüftet worden. Doch bevor die archäologische Expedition in das Labyrinth vordringen konnte, hatte das Wasser aus dem Boden herausgesogen werden müssen. Das hatte über ein Jahr gedauert, erst danach hatten die Forscher endlich
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