Und alles nur der Liebe wegen
an sich herunter und fand, daß sie eigentlich auch wie zwanzig aussah. Niemand würde sie so, wie sie jetzt gekleidet und frisiert war, für eine Schülerin halten, die noch Angst vor Mathematik und Latein hatte und der die Schule zum Hals heraushing. Jeder sah in ihr nur eine junge, hübsche Frau, der man nachblicken mußte, wenn man keinen Knick in der Optik hatte. »Nun mach schon«, drängte sie ungeduldig, »hol deine dumme Kuh und wirf sie um. Und dann sag mir, wozu das gut ist.«
Pepi kam aus der dunklen Hütte. An einem Strick zog er einen brummenden Ochsen hinter sich her, der lieber schlafen wollte, als sich hier in der Dunkelheit auf einen Kraftvergleich einzulassen.
»Jetzt paß auf«, keuchte Pepi. Er holte tief Luft, spannte die Armmuskeln und ergriff die Hörner des Ochsen.
Karin hob spöttisch die Augenbrauen. Ich geh' weg, dachte sie. Am Ufer, auf der Promenade, ist jetzt Kurkonzert, in den schönsten Kleidern gehen sie am See spazieren. Da gehöre ich hin – wenn ich dort auftauche, steche ich alle anderen Frauen aus! Und die Männer bekommen feuchte Augen.
Pepi war an der Arbeit. Er drückte den Kopf des Ochsen zur Seite, riß an den Hörnern, stemmte seine Säulenbeine in den Boden und versuchte, mit einem Hebelwurf den Ochsen auf die Seite zu legen. Aber dieses Mal klappte es nicht. Der Ochse stand brummend wie festgewachsen, bewegte sich nicht und fiel nicht um, wie er es bei der Probe schon dreimal getan hatte.
»Du Mistvieh, vafluchtes!« keuchte Pepi. Er wandte seine ganze Kraft an, aber irgendwo fehlte ihm jetzt der letzte, entscheidende Muskel. Das macht ihre Gegenwart, dachte er verzweifelt; ich werde schwach, weil sie mir zusieht.
»Ist das alles?« fragte Karin spitz aus der Dunkelheit.
»Geh zua!« brüllte Pepi dem Ochsen ins Ohr. »Leg di, du Satan!« Er versuchte es noch einmal. Aber jetzt ging es gar nicht, denn Karin lachte laut und spöttisch. Es fuhr Pepi wie ein feuriges Messer durchs Herz; er keuchte und röchelte und hing sich an die Hörner.
Karin löste sich vom Holzstoß und trat kurz in den Mondschein. »Wenn du den Ochsen am Boden hast, schreib mir eine Karte. Nach Köln. Postlagernd Postamt unter Kennwort: Stierkämpfer. Ich schicke dir dann einen Lorbeerkranz!« Sie lachte wieder laut, winkte dem schwitzenden Pepi zu und lief dann schnell weg, zurück nach St. Wolfgang. Sie lief schneller, als sie wollte. Wenn er nachkommt, renne ich, dachte sie. Muskeln hat er, aber so klein, wie sein Kopf ist, so klein ist auch sein Hirn. Sie wollte nur Thomas eifersüchtig machen, und das war ja gelungen.
Pepi war tatsächlich ein paar Schritte hinter Karin hergeschwankt, dann blieb er stehen. Schweiß lief über seine Augen, seine Arme zitterten. Er hatte noch das höhnische Lachen Karins im Ohr, und so dumm war er nicht, um nicht zu wissen, daß sie ihn ausgelacht hatte. Ihn, den stärksten Mann am Wolfgangsee, der einen Ochsen … Pepi fuhr herum. »O du Saustück!« brüllte er und stürzte auf den Ochsen zu. »Blamiert hast mi! Glacht hat sie! Umeinandhauen sollt ma di!« Er hob die Faust und ließ sie auf die Stirn des Tieres niedersausen. Und diesmal war Pepis Kraft wieder da. Der Ochse kippte lautlos auf die Seite. Verblüfft starrte Pepi auf den liegenden Koloß.
Dann hob er beide Arme in den Nachthimmel und stieß einen Jodler aus. »Monika«, schrie er hinter Karin her, »komm her, er liegt, er liegt!«
Aber Karin hörte ihn nicht mehr. Sie hatte schon längst die Straße erreicht. Am See spielte die Kurkapelle, deren Musik vom leichten Wind durch den ganzen Ort getragen wurde.
Zähneknirschend setzte sich Pepi neben den Ochsen auf einen Holzklotz und stierte vor sich hin. Er hatte sehr böse Gedanken. Und sie beschäftigten sich mit Karin, die er für Monika hielt. Ich mach' sie zu meiner Freundin, dachte er. Es gibt keinen auf der Welt, der sie mir wegnehmen könnte. Und wenn sie nicht will … Er zog die Luft durch die Nase, sah auf seine tellergroßen Hände und grinste dümmlich.
Nach der Pause verließ Dr. Hembach das Kurhaus. Das Konzert der Salzburger Sinfoniker interessierte ihn nicht mehr, obgleich sie einen wunderbaren, beschwingten Mozart spielten. Wo ist Karin? dachte er. Warum hat sie mich belogen? Für wen hat sie sich so hübsch gemacht? Trifft sie sich mit einem Mann? Der Lehrer ertappte sich dabei, daß seine Fragen kaum noch pädagogischer Natur waren. Er war ihr Lehrer, Kursleiter, er hatte für achtzehn Mädchen die Verantwortung, auch
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