Und alles nur der Liebe wegen
hinunter.«
Peter sah sich um. Abenteuerlust erfaßte ihn plötzlich. Das ist wie in den Rocky Mountains, dachte er, wie in den Trapperbüchern. Und eine Woche ist nicht lang. So etwas erlebt man nie wieder. »In Ordnung«, sagte er fröhlich, »in einer Woche also! Ich bleibe.«
»Werd dir nix übrig bleiben.« Der Holzfäller setzte sich auf einen Baumstumpf und holte eine Flasche aus dem Gras. »Magst an Enzian?«
»Was ist das?«
»A Schnaps.«
»Nein, danke.« Peter sah auf die gefällten Bäume. »Wie kommen die Stämme ins Tal?«
»Im Herbst. Auf einer Rutschbahn, den Bach hinunter. Wenn's nachher regnet, is der Bach wie ein Fluß. Da reißt's alle Stämme hinunter bis zur Mühl!«
»Das muß toll sein, was?«
»Hm.« Der Holzfäller setzte die Enzianflasche an den Mund und nahm einen tiefen Schluck. »Geh zurück in die Hüttn«, sagte er dann, »schäl Kartoffeln, Bub! Die Wochn kriegen wir schon um.«
Wenig später ratterte wieder die Motorsäge durch den stillen Bergwald. Peter saß vor der Hütte, einen Eimer neben sich, einen Korb auf dem Schoß, und schälte Kartoffeln für die Mittagssuppe. Für ihn bedeutete es das große Abenteuer, und er war glücklich. Daß man in ganz Deutschland nach ihm suchte, daran dachte er nicht.
In Köln wurden die Zwillinge von Dr. Schachtner am Zug abgeholt. Dr. Hembach hatte zuvor die Ankunft telefonisch durchgegeben. Da Ludwig Etzel noch immer strengster Schonung bedurfte und auch Lucia, von den familiären Aufregungen gebeutelt, sich mittlerweile sehr elend fühlte, hatte Ludwig seinen Anwalt um diesen Freundschaftsdienst gebeten.
»Euer Vater ist krank«, erklärte Dr. Schachtner ohne Umschweife, nachdem er Dr. Hembach begrüßt hatte und mit den Mädchen zu seinem Wagen gegangen war. »Er hat euch zurückkommen lassen, weil Peter noch immer nicht gefunden ist und er unter diesen Umständen die übrige Familie um sich haben möchte.«
Monika schaute ihn mit großen, entsetzten Augen an. »Was glauben Sie, Herr Doktor? Sagen Sie's ganz ehrlich: Könnte Peter entführt worden sein, könnte es sogar sein, daß er … nicht mehr lebt?« Bei diesem Gedanken wich ihr das Blut aus den Wangen, sie wurde blaß bis in die Lippen und spürte plötzlich einen solchen Schwindel, daß sie schnell einsteigen mußte, um sich in die Polster fallen lassen zu können.
Karin schüttelte energisch den Kopf. »Also jetzt mach aber mal halblang, Schwesterherz, du kippst ja fast um!«
Dr. Schachtner schaute Karin verblüfft an. »Ja, machen denn Sie sich keine Sorgen, Karin?« fragte er. »Geht Ihnen diese Geschichte gar nicht unter die Haut?«
»Natürlich tut sie das – ich bin ja nicht aus Granit. Ich hänge an meinem Bruder genauso wie alle anderen. Aber man muß doch die Kirche im Dorf lassen.«
»Also, liebe Karin, das ist ja alles ganz schön und gut, aber der Junge ist nun schon seit geraumer Zeit spurlos verschwunden, ohne das geringste Lebenszeichen gegeben zu haben – seine Lage ist mit Sicherheit nicht ungefährlich.«
»Ich glaube noch immer an ein gutes Ende«, erklärte Karin. »Mein Bruder träumt vom großen Abenteuer, seit ich denken kann – der ist aus dem Internat ausgebüchst, um was Aufregendes zu erleben –«
»Was die Gefahr nicht mindert«, unterbrach sie der Anwalt. »Auf jeden Fall gehört ein Kind in dem Alter nach Hause und nicht als Anhalter auf die Autobahn oder wo sonst er sich herumtreibt.« Während er in zügigem Tempo zur Villa Etzel fuhr, sagte er nichts mehr. Er wollte vor allem Monika nicht weiter beunruhigen. Aber die Geschichte machte ihm Sorgen, mehr, als er zugab. Mit Ludwig fühlte er sich schon seit langem freundschaftlich verbunden, ebenso wie mit Lucia, seiner attraktiven Frau. Ein Jammer, daß diese beiden schönen Menschen, von denen die Freunde früher sagten, sie führten eine Musterehe, sich so weit voneinander entfernt hatten, daß jeder seine eigenen Wege ging. Wie oft begegnete er Lucia auf dieser oder jener Party – meistens ohne ihren Mann. Ihre Affäre mit Beljonow wunderte ihn daher gar nicht; im Gegenteil, er hatte auf so etwas gewartet und konnte es ihr nicht verdenken. Freilich, mit diesem dicken Sänger hatte sie kräftig danebengegriffen. Aber er besaß eben etwas unendlich Kostbares: Zeit. Und damit glich er bei Lucia ein Defizit aus.
Während Etzels auf die Ankunft ihrer Töchter warteten, erdrückt von der Sorge um Peter, entwickelte sich die anfänglich eher unverbindliche Unterhaltung zu einer sehr
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