Und am Ende siegt die Liebe
Haarbürste, die Travis ihr geschenkt hatte, und zog die Nadeln aus ihren Haaren, so daß sie locker über ihren Rücken fielen und ihr Gesicht mit kleinen zarten Löckchen rahmten. Sie war froh, daß sie nicht dem Beispiel so vieler Frauen gefolgt war, die seit der Französischen Revolution die Haare nur noch kurz trugen. Nach ein paar raschen Strichen mit der Bürste eilte sie zum Bett zurück; denn sie meinte, sich nun lange genug vorbereitet zu haben, da Travis sicherlich genauso ungeduldig nach ihr verlangte wie sie nach ihm.
Auf dem Bett nahm sie eine, wie sie hoffte, verführerische Pose ein: den Oberkörper in die Kissen zurückgelehnt, einen Arm ausgestreckt, den anderen angewinkelt, die Fingerspitzen graziös auf das Schultergelenk gestützt. Und mit einem, wie sie ebenfalls hoffte, verklärten Gesichtsausdruck starrte sie sehnsüchtig auf die Tür.
Es war schon spät und so still im Gasthof, daß man den Wind vor dem Fenster hören konnte. Und als draußen eine Diele knarrte, lächelte sie bei dem Gedanken, was für ein Gesicht Travis machen würde, wenn er durch die Tür käme. Jedesmal, wenn sie an ihn dachte, wölbte sie den Rücken ein wenig weiter zurück und schob die Brust noch ein Stückchen vor. Dabei hatte sie Farrells Worte im Ohr, daß ihm vor der Hochzeitsnacht mit ihr graute, weil sie vermutlich wie ein zweijähriges Kind plärren würde. Heute nacht würde sie ihn widerlegen, obwohl er das natürlich nie erfahren würde. Heute nacht würde sie eine perfekte Verführerin sein - eine Frau, die genau wußte, was sie wollte, und es auch bekam! Travis würde vor ihr auf den Knien liegen, zitternd wie eine Kälberfußsülze, und Wachs in ihren Händen sein.
Vielleicht lag es an der ungewohnten Pose, an der zu weit vorgestreckten Brust, daß sie Rückenschmerzen bekam. Dann taten ihr die Arme weh, und sie merkte, daß ihre linke Hüfte eingeschlafen war. Sie bewegte beide Schultern, legte die Arme in den Schoß und begann, aus ihrer Traumwelt zurückzukehren. Sie war eine Meisterin darin, für längere Zeit die Wirklichkeit vergessen zu können, und fragte sich nun, wie lange sie bereits in dieser Pose verharrt hatte.
Sie blickte sich im Zimmer um: da war keine Uhr, auch kein Mond vorm Fenster. Nur die Kerze neben dem Bett, die neu gewesen war, schien um drei Zoll kürzer zu sein.
Wo war Travis? Sie warf die Bettdecke zur Seite und trat ans Fenster. Er konnte doch unmöglich annehmen, daß sie so viel Zeit brauchte, sich für ihn vorzubereiten. Ein Blitz erhellte einen Moment den Innenhof unter ihrem Fenster. Dann setzte ein leichter Regen ein, und Regan fröstelte unter einem kalten Windhauch, der durch den schlecht abgedichteten Fensterrahmen drang.
Sie kehrte in ihr warmes Bett zurück, blickte um sich und dachte flüchtig daran, wie sehr dieser Raum dem Zimmer ähnelte, in dem Travis sie in England gefangen gehalten hatte. Damals war sie seine Sklavin gewesen. Heute war sie seine Ehefrau. Freilich hatte sie keinen Ring, und das Dokument, das der Richter ausgefertigt hatte, trug nur Travis’ Unterschrift. Aber sie, spann sie lächelnd diesen Gedanken fort, trug sein Kind unter dem Herzen, und deshalb würde er bestimmt zu ihr zurückkommen.
Die Vorstellung, er könne vielleicht doch nicht zurückkommen, rief bei ihr ein Stirnrunzeln hervor. Wie konnte sie nur auf so abwegige Gedanken kommen? Travis war ein Ehrenmann. Er hatte sie geheiratet.
Ein Ehrenmann, flüsterte sie. Bemächtigte sich ein Ehrenmann gewaltsam einer Frau und entführte sie gegen ihren Willen nach Amerika? Er hatte ihr zwar Gründe genannt, warum er sie zwingen mußte, ihn zu begleiten; aber vielleicht hatte er in Wahrheit nur jemanden gebraucht, der ihm bei der langen Überfahrt das Bett wärmte. Und das hatte sie ja zur Genüge getan. Sie hatte es förmlich in Brand gesteckt, und nun trug sie die Folgen des Brandes in ihrem Bauch.
Der Regen ging in einen kräftigen Schauer über, der gegen das Fenster trommelte. Da setzte bei Regan die Panik ein.
Travis hatte sie nie haben wollen. Hatte er das nicht immer wieder gesagt? Sogar auf dem Schiff hatte er noch versucht, ihre Herkunft zu ermitteln, damit er sie wieder loswerden konnte. Er war genauso wie Farrell und Onkel Jonathan: die beiden hatten sie auch nicht haben wollen.
Die Tränen liefen ihr nun genauso rasch über die Wangen wie der Regen über die Scheiben. Warum hatte er sie dann geheiratet? Hatte er etwa Wind bekommen von ihrer Erbschaft? Hatte er sie
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