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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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danach noch heimsuchte, hatte ich gar
nicht erst angetroffen. Dafür hatte ich bei dem nachgeguckt, wieso er zwei alte
Anhänger mit Plastikplane abgedeckt hatte. Das wollte ich schon vor langer Zeit
einmal machen, nicht dass hier ein paar Leichen liegen, und keiner weiß davon.
Unter diesen Plastikplanen hatte es jedoch nur Mäusedreck und eine alte
Männersocke zu entdecken gegeben, und darüber konnte man nicht einmal in
unserer Dorfzeitung berichten.
    Â»Gut, dass wir jetzt unseren Pastoralreferenten haben«, unterbrach
Großmutter meine Gedanken.
    Â»Wieso denn das?«, fragte ich uninteressiert nach.
    Â»Na ja, wenn wir dann ein Wallfahrtsort werden«, gab sie zu
bedenken.
    Wallfahrtszentrum, hatte der Schmalzlwirt es genauer formuliert. Mit
dem Schmalzlschen Kompetenzzentrum im Ortskern. Das Letztere hatte ich mir
gerade erst ausgedacht, mit so stark verdrehten Augen, dass ich mein eigenes
Gehirn betrachten konnte. Waren wir hier alle verrückt geworden? Wieso kam denn
keiner auf die Idee, erst einmal den Pathologiebericht abzuwarten? Vielleicht
war es ja doch die von Großmutter viel zitierte Wachsleiche von unserem
Friedhof. Und dann hatten wir den Salat. Dann hatten wir unseren Schrein und
nix, was wir hineintun konnten. Und ob wir uns von dem fremden Toten wenigstens
die Kniescheibe ausleihen konnten, war echt die Frage.
    Â»Der kann dann die Sache in die Hand nehmen«, schlug Großmutter
zufrieden vor.
    Â»Wer?«, fragte ich etwas irritiert nach.
    Â»Na, der Pastoralreferent. Jetzt, wo der Daschner sein Börnaut hat.«
    So ein Schmarrn, dachte ich mir nur. Wenn der Schmalzl und der
Metzger ein bisserl mehr »Hirnschmalz« hätten, wäre ihnen auch klar, dass das
mit dem Heiligen ein Jahrhundertblödsinn ist. Und einen g’studierten
Pastoralreferenten brauchten wir dazu eigentlich nicht. Dann stürzte ich meinen
Kaffee hinunter, kontrollierte noch einmal den Herd und packte meine
Umhängetasche. Vielleicht war der Ernsdorfer ja heute in besserer Verfassung.
    Schon von der Haustür aus sah ich, dass unser Briefkasten
überquoll. Wahrscheinlich verstopften uns die neuesten Mitteilungen zum
Wallfahrtszentrum den Postkasten. Oder wir hatten zehn Mal das Bistumsblatt
geliefert bekommen. Ich nahm den ganzen Packen Papier heraus und blieb neben
unserer Papiertonne stehen, um ein paar Dinge gleich hineinzuwerfen. Zum
Beispiel das Wochenblatt. Das hatten wir zweimal, weil der faule Franz keine
Lust mehr zum Austragen gehabt hatte. Dann gab es noch eine Werbung für einen
Pizzaservice, bei dem man auch Hummerkrabben nach Gong-Bao-Art bestellen konnte
oder wahlweise San-Xian-Salat mit Hühnerfleisch. Außerdem bekam man eine
Flasche Wein geschenkt, wenn man für mindestens zwanzig Euro bestellte. Wenn
ich für zwanzig Euro Pizza bestellte, dann half kein Wein mehr. Ich ließ die
Werbung ebenfalls in den Papiermüll segeln.
    Der letzte Umschlag war groß und braun, und vorne drauf stand: Lisa
Wild. Die Buchstaben waren aus einer Zeitung ausgeschnitten. Lisa war klein
geschrieben, mit einem großen A am Ende, und das i war kursiv. Und »Wild« war
aus lauter Großbuchstaben zusammengeklebt.
    Das war seltsam. Nein. Es war nicht nur seltsam, es sah wirklich
gruselig aus. Wie ein anonymer Brief, in dem einem der Tod angekündigt wird.
Ich blieb bei der Mülltonne stehen und überlegte mir, ob ich den Briefumschlag
auch hineinsegeln lassen sollte, wo er dann seinen Inhalt dem Wochenblatt mitteilen
konnte.
    Aber ich war viel zu neugierig. Ich konnte keine Briefe, die an mich
adressiert waren, wegwerfen. Schließlich war ich Journalistin. Außerdem sah es
aus, als wäre da nicht nur ein Blatt Papier drin. Irgendetwas beulte den DIN-A 4 -Umschlag aus. Vielleicht
irgendein Hinweis auf den Toten? Weitere Rosenkränze? Oder so.
    Ich öffnete den Brief.
    Es war ein DIN-A 4 -Blatt.
Weiß, 80 g. Und darauf waren ebenfalls
ausgeschnittene Buchstaben aufgeklebt. Nicht besonders ordentlich, aber
trotzdem gut lesbar.
    Â»Neugierige Weibsbilder bestrahft Gott.« Quer über das Blatt war
etwas Bräunliches verschmiert.
    Das war der einzige Satz. Keine Anrede, keine Unterschrift. Und
bestrahft war falsch geschrieben, mit einem h. »Gott« war als einziges Wort als
Ganzes ausgeschnitten und nicht aus einzelnen Buchstaben zusammengeklebt
worden.
    Neugierige Weibsbilder bestraft Gott? Das klang ein bisschen, als
sollte danach

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