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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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noch etwas kommen. Hebräer 12 , 17 oder so. Aber da kam nichts mehr.
    Ich las den Satz noch ein paarmal. Betonte ihn immer wieder anders.
    Neugierig. Neugierig war ich. Keine Frage. Sonst hätte ich den Brief
gleich weggeworfen. Da konnte schließlich nichts Gescheites drin sein, wenn
schon ausgeschnittene Buchstaben auf den Umschlag geklebt waren. Weibsbild war
ich vermutlich auch. Aber davon, dass Gott neugierige Weibsbilder bestraft,
davon hatte ich noch nie etwas gehört.
    Vielleicht war auch gar nicht ich gemeint. Ich weiß. Das ist
ziemlich unwahrscheinlich, besonders, wenn der eigene Name auf dem Umschlag
klebt.
    Irgendjemand fand mich zu neugierig. Ich sah mich nach allen Seiten
um, in der Hoffnung, den anonymen Briefeschreiber hinter einer Hecke zu
entdecken. Aber die Einzige, die ich sah, war die alte Reisingerin, unsere
Nachbarin, die ein paar Schnecken aus ihrem Blumenbeet nahm und zu uns
herüberwarf. Neugierige Weibsbilder? Neugierige Weibsbilder gab es bei uns in
rauen Mengen. Wenn der Briefeschreiber da für jede einen handgefertigten
Schnipselbrief basteln wollte, hatte er eindeutig viel zu tun. Allein schon für
die ganzen Rosenkranztanten hätte er bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gesessen und
Buchstaben ausgeschnitten.
    Bestraft Gott? Irgendjemand wollte, dass ich Angst hatte. Und
seltsamerweise hatte er das geschafft. Denn ich sah mich schon wieder um. Aber
wieso ausgerechnet mich? Also ehrlich. So neugierig war ich nun auch wieder
nicht.
    Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich das, was noch in dem
Briefumschlag steckte, einfach in die Mülltonne werfen sollte. Ein anonymer
Brief reichte vollkommen, um einem den Tag zu verderben. Vorsichtig spitzte ich
hinein.
    Uah.
    Eine tote Maus.
    Jetzt wusste ich auch, was der braune Streifen auf dem Papier war.
Blut.
    Angeekelt ließ ich den Briefumschlag mit spitzen Fingern in den
Mülleimer fallen. Ich sammelte die Schnecken wieder auf und warf sie heimlich
zur Reisingerin zurück.
    Ich las den Brief noch einmal und noch einmal. Vor mir sah ich eine
Person, die eine Zeitung zerschnitt und Buchstaben auf ein Papier klebte. Aber
wer? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in unserer Gemeinde
anonyme Briefe verschickte. Die Rosenkranztanten waren so direkt, die hätten
mir das brühwarm direkt ins Gesicht gesagt.
    Der Schmalzl hatte bestimmt keine Geduld für so etwas. Und der
Kreiter hatte sicher keine Zeitung, die er zerschneiden konnte. Und sein Sohn,
der konnte ja gar nicht lesen, geschweige denn schreiben. Ich versuchte mich zu
erinnern, wann ich im Verlauf der letzten vierundzwanzig Stunden neugierig
gewirkt hatte. In meinem Schädel brummte schon wieder die Blutleere. Wenn ich
so weitermachte, würde ich bald zum Vergnügen der Reisingerin in ihr
Schneckenbeet fallen. Wann war ich in letzter Zeit neugierig gewesen?
    Der Knochenkistlfund. Das Kistl hatte zwar ich gefunden, aber
eigentlich war es doch nun wirklich Großmutter, die neugierig gewesen war, denn
ich hätte die Kiste wieder brav hinter die Erntedankkrone geschoben und
versucht, sie zu vergessen. Vom Kistl abgesehen, hatte ich zwar nichts zustande
gebracht, aber ich hatte jede Menge getan. Also, zum Beispiel hatte ich mir bei
Ernsdorfers das rote Plüschsofa angeschaut, beim Rosenmüller durchs
Schlafzimmerfenster geguckt und mich über Edelstahlbetten amüsiert. Und beim
Troidl unter die Planen, aber da war ja eh nichts zu sehen gewesen. Beim
Kreiter hatte ich mir den Klostuhl genauer angeschaut, aber das war nicht
richtig neugierig, das war eher kunstbeflissen. Und der Troidl und der Kreiter
würden darüber hinaus niemals anonyme Briefe schreiben, vom Ernsdorfer mit
seinem Alzheimer einmal ganz zu schweigen. Den Rosenmüller, fiel mir dabei ein,
kannte ich noch nicht einmal und er mich auch nicht.
    Wahrscheinlich war das alles nur ein Spaß, versuchte ich mich zu
beruhigen. Von einem Spaßvogel.
    Als die Reisingerin die nächste Ladung Schnecken
herüberwarf, sperrte ich die Haustür auf und ging wieder in die Küche. Mein
Mund fühlte sich an, als hätte ich gerade eine Ladung Staub gegessen. Irgendwie
hatte ich leichte Atemprobleme. Mein Hund sprang auf und hüpfte wedelnd um mich
herum.
    Â»Bist schon wieder da«, stellte Großmutter, die gerade das Weihwasserbecken
auffüllte, fest und warf einen strafenden Blick auf meine Schuhe. »Geh, Mädl,
zieh dir deine dreckigen Stiefel aus. Wer soll

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