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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Minuten hätte man allerdings als Telefonsex im
weitesten Sinne durchgehen lassen können.
    Gerade als ich zu dem Drohbrief überleiten wollte, wechselte Max
plötzlich das Thema, vermutlich, weil jemand ins Zimmer gekommen war und er
nicht weiter über die Beschaffenheit meiner Brüste reden wollte.
    Â»Willst du nicht mit mir Tante Vega und meine Mutter besuchen?«
    Tante Vega. Was war denn das für ein Name.
    Â»Tante Vega?«, fragte ich statt einer Antwort.
    Â»Sie ist fünfundsiebzig und unglaublich nett«, fügte er hinzu, aber
es klang, als würde er das gerade erfinden.
    Â»Jetzt gerade geht’s ganz schlecht«, erklärte ich ihm. Bestimmt
hatte ich gleich riesige Flecken unter den Achseln vom vielen Angstschweiß.
»Ich habe …« Schwiegermutter. Tante Vega. Drohbriefe. »Ich habe dringende
Abgabetermine.«
    Das Schweigen am anderen Ende der Leitung hörte sich wie ein
riesengroßes Grinsen an.
    Â»Sag mal«, fing ich vorsichtig an. »Was würdest du denn machen, so als
Bulle, meine ich, wenn ich, also, deine Freundin, einen Drohbrief bekommen
würde …?«
    Â»Ich als Bulle«, wiederholte Max, und jetzt klang seine Stimme, als
würde er mit den Fingern auf der Tischplatte trommeln. »Vielleicht würde ich
mich fragen … ob meine Freundin an einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet.«
    Blöder Max.
    Â»Na prima«, antwortete ich sauer.
    Als ich ihn dann noch über die Identität des Knochenkistlmenschen
ausfragen wollte, hatte er plötzlich irrsinnig viel zu tun und musste leider
auflegen. So ein Hundskrippl, so ein miserablicher, hätte der Schmalzlwirt
wahrscheinlich gesagt. Jetzt war ich diejenige, die mit den Fingern auf den
Schreibtisch trommelte. Irgendwie hatte ich schon geahnt, dass Max nichts als
ein angestrengtes Lächeln und Wörter wie »Dumme-Jungen-Streich« zu bieten haben
würde. Er hätte aber auch von bayerischen Traditionen reden können, worauf Max
sich gerne einmal bezog, wenn er irgendetwas nicht kapierte. Um die
Beschützerinstinkte von Max zu wecken, musste allermindestens ein Killerkommando
mit MG s auftauchen und meinen roten Fiesta mit
Schüssen durchsieben.
    Vielleicht war das aber auch nur so ein Gefühl, weil mich das
Gespräch über Tante Vega dermaßen durcheinandergebracht hatte.
    Ich trommelte weiter mit meinen Fingern auf dem Schreibtisch. Ich
versuchte mich daran zu erinnern, was das für eine Spur sein könnte, die
offensichtlich irgendjemand dazu veranlasst hatte, Buchstaben zu einem Brief zu
verarbeiten, aber mir fiel nur der alte graue Socken ein, den ich beim Troidl
auf dem Anhänger gefunden hatte. Dann dachte ich eine ganze Weile über den
Knochenkistlmenschen nach, wer es sein und wie ich es herausbekommen könnte.
Aber dazu hatte ich genauso wenige Ideen. Wahrscheinlich lag das am Hunger. Ich
war richtig froh, als es endlich Mittag wurde und ich meine Umhängetasche
packen konnte.
    Kurz bevor ich es geschafft hatte, problemlos nach Hause zu
fahren, stellte sich mir unsere Friseuse Bärbel in den Weg. Es dauerte eine
ganze Weile, bis sie mir die Langsdorferin auf den Beifahrersitz bugsiert hatte
und das Gehwagerl in den Kofferraum. Dabei hatte sie ziemlich mürrisch
ausgesehen, als hätte ich sie zu lange warten lassen und nicht etwa die
Schwiegertochter von der Langsdorferin, die Bixn, die schon wieder vergessen
hatte, dass sie nachmittags in der Arbeit war und gar keine Zeit hatte.
    Die Langsdorferin zehn Minuten im Auto entsprach in etwa einem
halben Jahr gute Pfadfindertaten auf einmal. Während der Fahrt erörterte mir
die Langsdorferin nämlich detailreich die Symptome einer Gebärmuttersenkung.
Außerdem wusste ich jetzt, dass der Daschner auf seine jungen Tage schon
schlechter aussah als der alte Pfarrer kurz vor seinem Herzinfarkt.
    Â»Und dann noch die Sommerzeit«, hängte die Langsdorferin dran. »Des
macht einen grad stocknarrisch.«
    Ich versuchte nicht mehr zuzuhören. Das konnte einen wirklich
stocknarrisch machen, was die Leute so machten, wenn sie nicht mehr in den
alten Traditionen verwurzelt waren. Wie in unserer Gärtnerei. Da hatten wir
erst kürzlich gesehen, dass sie Weihnachtskakteen als Osterkakteen verkauften.
Echt.
    Im nächsten Atemzug wechselte die Langsdorferin von der Sommerzeit
zu den Wunderheilungen. In meinem Kopf begann sich schon alles zu drehen. So
eine

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