Und bitte für uns Sünder
für die
Beerdigung vom Papa.«
»Lisa, du spinnst«, erklärte mir Anneliese mit einer Inbrunst, die
nur Schulfreundinnen aufbringen.
Ich hupte freundlich und hob grüÃend die Hand.
»See you!«
Ich hatte überhaupt keine Lust, bei Ernsdorfers vorbeizuschauen
und sie zu interviewen. Ich hatte das letzte Interview noch ganz deutlich vor
Augen und das sichere Gefühl, dass ich es mir eh sparen konnte. Ich fuhr ein
paar Runden durchs Dorf und überlegte mir, wer als alternativer
Informationslieferant infrage kam.
Die Bärbel, unsere Friseuse, fiel mir ein, als ich das dritte Mal an
ihrem Laden vorbeifuhr. Die wusste fast so viel wie die Metzgerin.
Und die Metzgerin und Bärbel zusammen würden einen Informationssuperflash
geben. Wenn ich den Fall dann nicht gelöst hatte, wusste ich auch nicht mehr
weiter.
Als ich an Bärbels »Uschis Haircutting Studio« vorbeifuhr, fasste
ich einen Plan: erst zur Bärbel, dann zum Metzger. Denn wie es aussah, hatte
sie gerade keine Kunden. Obwohl es bestimmt auch nicht schlecht gewesen wäre,
wenn ganz viele Rosenkranztanten frisch onduliert zusammengesessen und die
neuesten Daten über die Ernsdorfers ausgetauscht hätten. Bevor ich den Laden
betrat, sah ich, dass Bärbel ihre gebügelte Vatikanfahne rausgehängt hatte. Die
Bärbel ist eine spinnerte Urschel, dachte ich mir mit der Stimme meiner
GroÃmutter. War heute ein Feiertag?
Nur die Spitzen, schärfte ich der Bärbel ein, nicht dass ich
plötzlich mit der Stahlwolle von der Ernsdorferin herauskam.
»Ja, ja, der Ernsdorfer. Das war ein guter Mensch«, sagte die
Bärbel. »Willst nicht ein bisserl eine Dauerwelle?«
Bisserl Dauerwelle? Das hatte sie mir ein einziges Mal eingeredet.
Dass ein bisserl Dauerwelle im Pony sich gut machen würde. Damit die Haare
gefälliger ins Gesicht fallen. Selbst GroÃmutter, die selten etwas zu meinem
ÃuÃeren sagte, hatte gemeint: »Na ja, des wachst sich ja raus.«
»Ja, ja, der Ernsdorfer«, sagte auch ich und antwortete vorsorglich
nicht auf die Dauerwellenfrage.
»Wenn man halt Parkinson hat. Da ist man schon gestraft«, sagte die
Bärbel und sah missmutig auf meine Frisur. Anscheinend war mit etwas
Spitzenschneiden nicht viel zu retten.
Mit der Ernsdorferin war man auch gestraft. Während Bärbel
nachdenklich an meinen Haaren herumzupfte, starrte ich mein Spiegelbild an.
»Nur Spitzen?«, fragte sie erneut mit gerunzelter Stirn.
»Nur Spitzen«, wiederholte ich eindringlich.
Seufzend ergab sie sich dem Schicksal.
»Früher, da hat er seine Frau immer hergefahren. Mit dem Auto. Und
dann hat er drauÃen gewartet. Auch wennâs eine Dauerwelle war und er drei
Stunden warten musste.«
Hm. Kein Wunder, dass er Alzheimer bekommen hatte. Drei Stunden vor
Uschis Haircutting Studio, das hielt ja kein normaler Mensch aus.
»Mei, ich hab ihn schon ewig nicht gesehen«, sagte ich und schloss
die Augen. Vielleicht verstand die Bärbel ja den dezenten Hinweis und sagte
mir, wann sie den Ernsdorfer zum letzten Mal gesehen und ob sie eine Menge
Alibis hatte für den betreffenden Tag.
»Ja, seit ein paar Jahren schafft er das nicht mit dem Autofahren«,
erklärte Bärbel bedauernd. »Dann hat die junge Ernsdorferin sie hergâfahren.
Ich hab ihn auch schon ewig nimmer gâsehn.«
Und die junge Ernsdorferin hat bestimmt nicht vor dem Geschäft
gewartet. Das ging ja alles von der Putzzeit weg.
»Aber jedes Jahr hat er ihr einen Gutschein geschenkt. Für eine
Dauerwelle und eine Gesichtsmassage.« Sie seufzte pathetisch.
»Gesichtsmassage?«, echote ich ungläubig. Was war das denn?
»Und, wer hat dann ihr Gesicht massiert?«
»Na, ich.« Bärbel schaute ziemlich beleidigt drein. Na gut, sonst
war ja keiner in dem Laden. Aber wieso sollte sich irgendjemand von der Bärbel
das Gesicht massieren lassen wollen?
»Ab Herbst biete ich Tai-Chi-Handmassagen an«, fuhr sie fort.
Um Gottes willen.
»Der Rosenmüller«, flüsterte sie plötzlich dicht an meinem Ohr und
blieb wie erstarrt stehen.
»Der will auch eine Handmassage?«, fragte ich nach.
»DrauÃen.«
Mein Blick schwenkte zur Fensterscheibe. Oha. Der Rosenmüller auf
seinem Omafahrrad. Die Stoffhose hochgezogen und mit bunten Hosenklammern
festgeklemmt. Uuuh. Und ein Fahrradhelm. Ein bunter Fahrradhelm. Und
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