Und bitte für uns Sünder
ein
Halstüchl.
»Die Leut, die studieren, die liegen den ganzen Tag im Bett«,
erzählte mir Bärbel geheimnistuerisch. »Und da will ich gar ned wissen, was da
alles passiert.«
Beim Schlafen?
»Der Sohn von der alten Stanglin. Der ist so lange im Bett gâlegen,
bis ihm der Darm festgewachsen war«, erläuterte sie die Problematik. »Den haben
sâ operieren müssen.«
Ach so. Ich hatte mir mit meiner schweinischen Phantasie natürlich
ganz was anderes zusammengereimt.
»Aber der Rosenmüller. Der sieht ganz gâsund aus«, wandte ich ein.
Na ja. Bis auf die haarlosen Wadeln. Die sahen aus, als hätte er sie schon
etliche Male enthaart.
»Des siehst ja auch keinem an«, erklärte mir die Bärbel, während der
Rosenmüller wieder auf sein Fahrrad stieg.
»Schad«, meinte die Bärbel, die anscheinend gehofft hatte, dass er
eine Dauerwelle brauchte. »Mei. Aber vielleicht finden sâ ihn ja doch noch. Den
Ernsdorfer.«
»Dass der überhaupt abhauen kann«, wunderte ich mich. »So ohne
Brille.«
Bärbel zuckte nur mit den Schultern und machte sich wieder ans
Spitzenschneiden.
»Seit wann ist jetzt eigentlich der Resi ihr Papa auf den Bahamas?«,
lenkte ich ab. Wenn ich schon nicht den Fall Ernsdorfer lösen würde, dann
vielleicht den Fall Knochenkistl.
»Mei, wird scho glei zwei Monate her sein. Aber der ist nach Hawaii
und nicht auf die Bahamas.«
Hawaii. Noch einmal was anderes. Wenn das nicht verdächtig war. Und
keiner konnte sich so richtig erinnern, wie lange er schon weg war. Verdächtig
ohne Ende.
»Der hat aber nie einen Gutschein besorgt«, klärte mich Bärbel auf.
»Der war viel zu knickert. Mei, der schaut halt aufs Geld.«
»Kaum zu glauben, dass der Urlaub auf den Bahamas macht«, regte ich
ein wenig ihre Phantasie an.
»Hawaii«, sagte die Bärbel stattdessen.
»Sulawesi«, schlug ich vor.
»Hawaii«, beharrte die Bärbel. »Der solltâ glei unten bleiben.
Vielleicht mögen die dort die knickerten Leut.«
Bahamas, dachte ich mir. Und dass den alten Langsdorfer irgendjemand
leiden konnte, war nur denkbar, wenn er grad nicht geizig war.
»Aber der Ernsdorfer wird auch nicht jedes Jahr einen Gutschein
gekauft haben«, gab ich zu bedenken. »Der war doch viel zu krank die letzte
Zeit.«
»Doch, jedes Jahr, immer zur gleichen Zeit.«
»Auch dieses Jahr?«
Sie nickte und bekam plötzlich wässrige Augen. »Vor zwei Wochen hat
er angerufen. Dann hab ich ihm den Gutschein hergâricht. Ich weià noch, ich hab
gâsagt, mei, lassen Sâ Ihnen nur Zeit. Ich heb den Gutschein auf, und dann
holen Sâ Ihnen den halt ab, wenn Sâ Zeit haben.«
Sie schniefte bei dem Gedanken, dass er nie mehr die Gelegenheit
haben könnte, ihn abzuholen. »Vielleicht finden Sâ ihn ja doch noch«, sagte sie
schlieÃlich und schnitt dann wieder ganz energisch an meinen Haaren.
Ich dachte ein wenig über den Gutschein nach. Und darüber, ob man
den alten Ernsdorfer finden würde. Und in welchem Zustand. Und dass ich mir
nicht vorstellen konnte, dass er dann noch irgendwelche
Gesichtsmassagegutscheine abholen würde. AuÃerdem musste ich denken, dass ich
ihn gewaltig unterschätzt hatte. Ich hätte nie gedacht, dass er ein
Friseurgutschein-Herschenker war. Und dass die junge Ernsdorferin die
obligatorischen Blumen in einer Putzpause organisieren würde. Am besten irgendwelche
Blumen, die wenig Blütenblätter abwarfen.
Dann war die Bärbel fertig und holte einen Handspiegel, um mir meine
Haarpracht von allen Seiten zu zeigen.
»A bisserl a Welle würd des halt gefälliger machen«, sagte sie,
nicht ganz zufrieden mit dem Resultat. »Da meldest dich vorher an, und dann
machen wir eine schöne Welle rein.«
Nein danke.
»Wenn ich mal Zeit habe«, versprach ich.
Bärbel sah mich an, wie man jemanden ansieht, der gerade eine
Notlüge ausgesprochen hat.
»Und, wer holt jetzt den Gutschein ab?«, fragte ich.
»Ich hab den Ernsdorfer angerufen. Den vom Sägewerk. Er hat gâmeint,
wenn er mal Zeit hat.« Sie sah mich missbilligend an. »Aber bis jetzt war er
noch nicht da.«
Er würde ihn wahrscheinlich genauso wenig abholen wie der alte
Ernsdorfer, der mit dem Parkinson, der einmal Bürgermeister gewesen war. Ich
ging nach drauÃen und spiegelte mich in
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