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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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die
Drohbriefsache nicht doch dringend Max erzählen sollte, und bereute schon, dass
ich die tote Maus einfach weggeworfen hatte. Als der Morgen in greifbare Nähe
rückte, war ich mir plötzlich ganz sicher, dass ich das als erwachsene,
eigenständige Frau und Journalistin ganz alleine lösen konnte. Vor allen
Dingen, weil ich mich wieder ganz deutlich an Max’ Kommentar erinnert hatte.
    Nach diesem Entschluss hatte ich mich ungefähr eine halbe Stunde
über mich selbst geärgert, dass ich das Interview mit den Ernsdorfers nicht
hinter mich gebracht hatte. Aber allein der Gedanke an die Ernsdorferin löste
bei mir schon Herzrhythmusstörungen aus.
    Schließlich hatte ich alle meine Probleme in Gedanken durchgekaut
und konnte einschlafen. Nur um eine Viertelstunde später vom Wecker geweckt zu
werden. Ich wankte hinunter in die Küche und wünschte mir, ich könnte ein wenig
klarer sehen.
    Großmutter hatte diese Probleme augenscheinlich in der Nacht nicht
gehabt. Sie las begeistert die Zeitung und sah gar nicht müde aus.
    Â»Hab ich’s ned g’wusst?«, sagte sie. »Hab ich’s ned von Anfang an
g’sagt?«
    Ich stellte mich vor meine Kaffeemaschine und versuchte, die Augen
offen zu halten. An einem Montagmorgen wollte ich eigentlich gar nichts davon
wissen, was irgendjemand auf dieser Welt schon einmal gewusst hatte. Und meine
Großmutter hat die meisten Dinge schon von Anfang an gewusst. Das ist die
Weisheit im Alter. Da weiß man bestimmte Dinge eben einfach so, ohne jede
weitere Information. Wie beispielsweise, dass man als Kind garantiert auf den
moosigen Steinen am Fluss ausrutscht und hineinplumpst – als Kind muss man das
ausprobieren, hatte sie mir einmal erläutert. Aber als Oma wusste man das schon
lange vorher, konnte seine Enkelin warnen, die es aber dann trotzdem
ausprobieren und ins Wasser fallen musste. Ich fragte lieber nicht nach, was
sie schon gewusst haben wollte. Was es auch war, es hatte bestimmt mit etwas zu
tun, das für mich total unvorteilhaft war.
    Momentan war ich darüber hinaus auch überhaupt nicht in der Lage, an
irgendetwas zu denken.
    Während nun der Espresso dunkel aus der Maschine strömte und
wunderbaren Kaffeeduft verbreitete, starrte ich ideenlos aus dem Fenster.
    Ich hörte die Schritte von Max auf dem Gartenweg und stellte mich
schnell auf die Zehenspitzen, um ihn durchs Fenster zu sehen. Vielleicht hatte
Großmutter ja schon immer gewusst, dass heute eine Horde Rosenkranztanten bei
uns auftauchen würde, um mit mir stundenlang das Rosenkranzbeten zu üben. Aber
es war tatsächlich Max, der anscheinend noch nicht gefrühstückt hatte. Ich will
zwar nicht angeben, aber ich hatte durchaus schon immer gewusst, dass Max auf
meinen Kaffee scharf war. Aber das konnte Großmutter nicht gemeint haben. Denn
als es klingelte, sah sie ziemlich enttäuscht aus.
    Â»Max«, sagte ich.
    Â»Dann mach ihm halt auf«, sagte sie seufzend, anscheinend sollte ich
selbst herausfinden, was sie schon immer gewusst hatte. Meine Reaktion auf die
Neuigkeit war etwas, das sie nicht verpassen wollte.
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich keine Lust dazu hatte, Max
dieses Ratespiel miterleben zu lassen, aber ich hatte keine andere Wahl.
Großmutter blieb am Esstisch sitzen und schien darauf zu warten, dass ich es
endlich entdeckte.
    Â»Kann ich einen Kaffee haben?«, fragte Max statt eines Grußes
bereits an der Tür.
    Â»Und, habt ihr ihn gefunden?«, fragte ich böse.
    Â»Wen?«, fragte Max.
    Ich sagte nichts mehr. Nach dieser blöden Antwort würde ich ihm
garantiert nichts von dem Drohbrief erzählen. Männer, insbesondere Polizisten,
waren das Letzte.
    Großmutter beobachtete mich begierig, während ich schlecht
gelaunt anfing, Cappuccino zu brauen. Großmutter sah immer noch so aus, als
wollte sie, dass ich sie fragte, was sie denn schon immer gewusst hatte.
Vielleicht hatte sie schon immer gewusst, dass mein Kaffee verstrahlt war. Als
ich an dem Cappuccino nippte, wusste ich, dass ich verstrahlten Kaffee liebte.
Der so richtig durch eine Maschine gejagt worden war. Heiß. Braun. Duftend.
Aromatisch.
    Â»Mmh«, sagte Max, der meinen verstrahlten Kaffee auch liebte.
    Â»Schmeckt gut«, sagte ich. Ich setzte mich auf meinen Stuhl,
vorsichtig, man konnte nie wissen. Vielleicht hatte sie schon immer gewusst,
dass mein Stuhl zusammenkrachte.
    Ich knallte

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