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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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sich kein Mensch für unser Gartenhäusl
interessiert. Da hätten wir jahrelang Kisten voller Knochen deponieren können,
und es wäre keinem aufgefallen.«
    Ich seufzte.
    Â»Tjaja. Das waren noch Zeiten. Aber seit damals die Spurensicherung
in unserem Gartenhäusl war, ist das natürlich alles ganz anders. Kaum dreht man
sich um, steht die Spurensicherung vor der Tür und will, dass man seine
Gartenhäusltür öffnet.«
    Das war uns nämlich damals passiert, als die Polizei im Fall des
Organistenmords ermittelt hatte.
    Max grinste.
    Â»Da ist doch ein Orgelaufgang komplett unverdächtig. Jeder kann
seine Leichen deponieren, und keinem fällt’s auf. Wenn nicht …« Ich seufzte
wieder. »Wenn nicht meine Großmutter so einen Putzfimmel hätte.«
    Echt wahr. Schon als Kind hatte ich gewusst, dass übertriebene
Reinlichkeit nur böse enden konnte. Großmutter hatte mir manchmal so ruppig die
Haare gewaschen – damit wirklich aller Dreck weg war –, dass ich oft das Gefühl
hatte, bald als Glatzkopf durchs Leben gehen zu müssen.
    Schweigend genoss ich das Ohrenkraulen und beobachtete ein
Meisenpärchen. Sie waren äußerst eifrig damit beschäftigt, aus dem
Insektengewusel die besten Exemplare herauszupicken, um ihre Jungen zu füttern.
Leben und Tod, eng verflochten, würde der Kare titeln. Im Vorgarten blühte ein
Meer von Tulpen. Sie hatten die Blüten ganz geöffnet und sahen schon derangiert
und abgearbeitet aus. Schon wieder so ein Fall von Leben und Tod. Ich seufzte
angenehm depressiv gestimmt und lehnte mich noch ein wenig enger an Max, damit
er nicht beim Ohrenkraulen einschlief.
    Die Stimmung wurde etwas getrübt, als die Reisingerin an der
Gartentür stehen blieb und eine Weile den Kopf schüttelte. Max fühlte sich
sofort angesprochen und hörte mit dem Streicheln auf. »Die meint nicht dich«,
flüsterte ich ihm zu. »Die denkt nur über die Tulpen nach.«
    Â»Die Tulpen?« Max streichelte trotzdem nicht weiter.
    Â»Halb verblühte Tulpen im Vorgarten ist wie … hm … Löwenzahn im
Rasen. Einem Polizisten den Stinkefinger zeigen. Am Marktplatz den Popo
entblößen.«
    Max verstand wieder gar nichts.
    Â»Erregung öffentlichen Ärgernisses«, erklärte ich und beobachtete
misstrauisch die Reisingerin.
    Sie ging weiter, ohne etwas gesagt zu haben. Großmutter hätte
bestimmt laut geäußert, besser verblühte Tulpen als den g’stinkerten Dünger von
der Reisingerin. Da kannst ned amal die Post holen, ohne dass d’ halb stirbst
von dem Geruch.
    Â»Wie oft wird denn in der Kirche geputzt?«, fragte Max.
    Â»Na ja«, antwortete ich sehr selbstsicher, »die Böden im Hauptschiff
musst schon öfter machen. Grad, wenn’s draußen g’schneit hat. Dann hast ja
überall die Steindl und den Dreck.« Ich grinste, weil ich mich anhörte wie
Großmutter in Bestform. Die Tischdeckerln mit der Lochstickerei, die mussten
auch hin und wieder g’waschen und g’bügelt werden. Und ganz schlimm war es,
wenn man beim Beichtstuhl nur die Seite vom Pfarrer putzte.
    Â»Und den Orgelaufgang?«, fragte Max.
    Vermutlich putzte den nur die Großmutter.
    Â»Einmal im Jahr ist großer Kirchputz«, erklärte ich ausweichend.
    Â»Und wann?«
    Im Frühjahr. Wenn Putzen in der Luft lag.
    Â»Zwei Wochen vor Ostern«, sagte ich.
    Â»Da sind ja noch drei Wochen hin«, rechnete Max nach. »Dann könnte
die Kiste seit einem Jahr dort stehen?«
    Selbstvergessen begann er wieder mein Ohr zu kraulen. Ich seufzte
nur als Antwort. Die Kiste konnte dort sogar schon länger stehen. Kam ganz
darauf an, wer als Letztes im Orgelaufgang geputzt hatte. Man konnte
schließlich auch die abgebrannten Kerzen vorholen, den Staub herunterpusten und
sie wieder hinterschieben. Und mit Knochenkistln konnte man ganz genauso
verfahren.
    Ich schloss wieder behaglich die Augen.
    In der Nacht war ich bestimmt zehn Mal aufgewacht und hatte neue
Gedanken zu Serienmördern und weiteren Knochenkistln, die auftauchen könnten,
gewälzt. Jetzt, wo es sozusagen polizeilich bestätigter Mord war, ja fast schon
polizeilich bestätigter Serienmord. Um vier Uhr in der Früh hatte ich den Einfall,
dass der Serienmörder ja auch der Drohbriefschreiber sein musste.
    Danach haderte ich bestimmt eine Stunde lang mit mir, ob ich

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