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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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mehrmals durch das kurz geschnittene lockige Haar und knetete es im
Genick zusammen. Danach schüttelte sie den Kopf. Die Frisur sah aus wie immer.
Ich hatte sofort das ungute Gefühl, dass die beiden nur darauf gewartet hatten,
mich zu treffen. Jetzt kam garantiert die Rache für mein Interview.
    Â»Die Wild Lisa«, sagte die Ernsdorferin auch prompt und sah mich mit
glühenden Augen an.
    Was sagt man auf so etwas? Die alte Ernsdorferin? Ich grunzte etwas
Unverständliches und versuchte mich an ihr vorbeizudrücken. Sollte ich mich
jetzt für das Interview entschuldigen? Wollten sie verhindern, dass der Artikel
erschien? Ich hatte bis jetzt nur zwei Sätze geschrieben, und ich befürchtete,
dass mir mehr als diese zwei Sätze auch nicht einfallen würden.
    Â»Hab ich doch von ihr geträumt«, sagte sie, als wäre ich gar nicht
da.
    Â»Und da lag sie in einem Sarg.« Nun lag Bedauern in ihrem Blick.
    Ihr Sohn sah mich auch bedauernd an. Vielleicht sah er mich auch
schon als Leiche in einem Sarg liegen. »Geh, Mama. Was du wieder sagst«, sagte
er halbherzig.
    Â»War ein schöner Sarg. Mit Rüscherln«, verteidigte sie sich, als
würden die Rüschchen wieder rausreißen, dass ich tot war.
    Â»Mauserltot. Aber schön herg’richt. Richtig schön g’schminkt«, fuhr
sie fort, als würde sie mir empfehlen, das auch zu Lebzeiten zu machen.
    Â»Geh, Mama«, wiederholte sich der Ernsdorfer und sah unbehaglich an
mir vorbei. »Die Lisa, die ist doch noch so jung. Und pumperlgesund.«
    Sie wiegte ihren Kopf und fuhr sich wieder mit der Hand durch die
kurzen Locken, die wie Stahlwolle in die ursprüngliche Position
zurückschnellten. »Ja, des hab i mir auch denkt. Die arme Lisa. So jung. Und
schon so tot.«
    Ich schluckte. Ausgerechnet die Ernsdorferin träumte von mir. Die
hatte nie irgendwelche Visionen, dafür waren bei uns die Rosl und Großmutter
zuständig. Die Rosl verfügte über einen Spezialdraht zur Mutter Gottes, und
Großmutter hatte ihre allwöchentlichen Gotteseingebungen. Die Ernsdorferin war
für so etwas viel zu nüchtern, die hielt sich bei Visionen und Eingebungen
wirklich zurück. Eigentlich war das die erste Vision, die sie derart öffentlich
je von sich gegeben hatte.
    Â»Man muss halt aufpassen«, sagte sie sehr kryptisch und ging so nah
an mir vorbei, dass sie mir fast auf die Zehen trat. »Man muss g’scheit
aufpassen, dass einem nix passiert.«
    Ich hielt die Luft an.
    Â»Ah geh, Mama«, sagte der Ernsdorfer und sah auch so aus, als würde
er demnächst hyperventilieren. »Der Lisa passiert schon nichts.«
    Irgendwie beunruhigte mich die Aussage von ihm viel mehr als die
Rüschchenvision seiner Mutter.
    Â»Des is schnell g’schehn, dass einem was passiert«, sagte sie noch.
Der Ernsdorfer sagte gar nichts mehr. Die kämpfte echt mit allen Mitteln, damit
ihr Mann nicht in die Zeitung kam. Furchtbar.
    Ich beeilte mich, zu Großmutter in die Bäckerei zu kommen, sie kam
mir aber schon entgegen und hielt mir eine noch warme Breze entgegen.
    Ich erzählte ihr die Sache mit der Eingebung brühwarm. Ich wollte
nämlich auf gar keinen Fall in einem gerüschten Sarg liegen, weder demnächst
noch in ferner Zukunft. Zornig biss ich in die Breze.
    Â»Ah, die alte Weddahex«, kommentierte Großmutter mit einer steilen
Stirnfalte und hakte sich bei mir unter. »Die Ernsdorferin, die spinnt doch eh.
Die junge wie die alte. Die junge putzt jeden Tag, von morgens bis abends. Und
ihr Mann, der darf nicht ins Bad, sondern muss sich im Keller duschen, damit
die Dusche im Erdgeschoss nicht dreckig wird.«
    Â»Hm«, machte ich nur. Immerhin hatte sie ihm ihr Gucci-Handtäschchen
vermacht, damit er die Kasse auch draußen mit sich herumschleppen konnte. Das
tat nicht jede Frau. Wobei ich auch keinen Mann kenne, der freiwillig mit dem
Handtäschchen seiner Frau herumrennt.
    Â»Des sagt die doch bestimmt nur, weil sie meint, dass du schuld
bist.«
    Schuld? »An was denn?«, fragte ich verständnislos nach.
    Â»Na ja, dass der Alte weg ist«, erklärte Großmutter. »Beim Metzger
ham s’ erzählt, dass du den Ernsdorfer interviewen wolltest, durchs ganze Haus
randaliert bist, und danach …«
    Â»Randaliert?« Ich ließ den Mund offen stehen.
    Â»â€¦Â und dann noch geschrien hast, wenn ihr mich nicht zum

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