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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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mich an den Geruch des
Briefes zu erinnern. Fast hatte ich ihn in der Nase. Fast. Ich schlug die Augen
wieder auf. Der Geruch des Briefes war aus meiner Nase weg, stattdessen roch es
jetzt ziemlich exakt so, als müsste ein alternder Hund dringend einmal raus.
    Es gab nur einen Weg herauszufinden, ob der Rosenmüller den Brief
geklebt hatte. Ich musste seine Papiertonne durchwühlen und nach den restlichen
Zeitungen suchen.
    Dass er ein Bistumsblatt zu Hause hatte, war gewiss. Außerdem hatte
er aus diesem Fetzen einen Buchstaben ausgeschnitten.
    Ich packte die Hundeleine – den Zorn meines Chefs hatte ich ohnehin
schon auf mich gezogen. Ich konnte hinterher immer noch ein Interview mit dem
Kreiter dranhängen und detailliert über den Kunstraub berichten. Aber ich würde
den Rosenmüller überführen. Ich konnte mich doch nicht von einem
Pastoralreferenten bedrohen lassen!
    Mein Hund sprang neben mir her, als ich die Küche wieder verließ.
Ich nahm ihn gerne mit. Nicht, dass der Rosenmüller ausfällig wurde oder so.
    Mein Hund lag vor dem Beifahrersitz und hatte sein Kinn auf dem
Sitz abgelegt. Direkt vor ihm lag der Drohbrief.
    Ich tuckerte langsam an das Grundstück vom Rosenmüller heran.
Einfach aussteigen, einen Packen Zeitungen nehmen und wieder einsteigen, hatte
ich mir als Strategie überlegt. Als ich gerade die Fahrertür öffnen wollte,
ging die Tür zu Rosenmüllers Haus auf, und heraus trat der Pastoralreferent. Er
hatte andere Hosen an und außerdem neue Schuhe. In den Händen trug er rechts
und links dunkelblaue Plastiksäcke, die prall gefüllt waren. Er hatte doch eben
erst den Müll herausgetragen? So viel Müll konnte man doch gar nicht haben,
wenn man gerade erst frisch eingezogen war und kaum mehr als ein Bett und ein
Regal besaß.
    Ich nahm die Hand vom Türgriff und wartete darauf, dass der
Rosenmüller verschwand. Er ging auch diesmal zur Nachbarsmülltonne und versenkte
die Mülltüten darin. Dabei machte er ein Gesicht, als würde er sich gleich
übergeben. Der Geruch, der zu mir herüberschwappte, war so ekelig, dass auch
ich mir überlegte, ob ich mich übergeben sollte. Nur mein Hund, der neben mir
geschlummert hatte, setzte sich auf und schnupperte interessiert. Hunde sind so
ekelig.
    Eilig verschwand Rosenmüller wieder in seinem Haus.
    Er hatte sich umgezogen. Das war verdächtig. Vielleicht war ihm ein
Müllbeutel geplatzt und über seine Schuhe und seine Hose gesabbert, mutmaßte
ich. Und wieso steckte er das ganze Zeug in die Mülltonne des Nachbarn?
    Ich blieb vorsichtshalber sitzen. Nicht, dass er noch einmal
herauskam. Aber dann, wenn die Luft frei war, würde ich mir diese Mülltonnen
ansehen, das war gewiss, auch wenn ich hinterher eine Stunde unter Brechreiz
leiden würde.
    Während ich in aller Ruhe und Beschaulichkeit die Mülltonnen
betrachtete, versuchte ich mich an den Geruch des anonymen Briefes zu erinnern.
Es war eigenartig, dass ich nicht gleich hatte einordnen können, was ich
gerochen hatte. Früher war ich im Riechen nämlich richtig gut gewesen, was ich
deshalb noch so genau wusste, weil Anneliese mit mir oft das Spiel
»Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst« gespielt hatte. Ein Spiel, in dem ich nicht
besonders gut war, in dem Anneliese jedoch wahre Meisterleistungen vollbrachte,
besonders bei den Farbbeschreibungen. Meist waren die Beschreibungen nämlich
von so ordinären Farbzusammensetzungen garniert, dass man sich geschämt hätte,
einen Erwachsenen mitspielen zu lassen. Braun war zum Beispiel immer kackbraun.
Und Gelb war oft bieslgelb. Dann konnte Anneliese ohne Ende lachen. Ein Spiel,
das ich immer gewonnen hätte, wäre hingegen »Ich-höre-was-was-du-nicht-hörst«
gewesen oder »Ich-rieche-was-was-du-nicht-riechst«. Denn Anneliese konnte beim
Riechen und Hören nicht besonders viel unterscheiden. Entweder es roch nach
Blume oder nach Hundekacke. Dazwischen gab es eigentlich nichts. Also nicht,
dass es ein klein wenig wie verblühender Birnbaum gerochen hätte. Gemischt mit
einem Hauch lehmiger, nasser Erde.
    Wobei es Anneliese eindeutig lieber war, wenn es nach Hundehaufen
roch. Denn dann konnte sie mehrmals das Wort »Scheiße« einsetzen, ohne dass es
weiter auffiel.
    Am häufigsten hatte sie Scheiße gesagt, als wir einmal einen laufenden
Hundehaufen gefunden hatten. Okay. Das hatte auch sehr witzig

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