Und bitte für uns Sünder
ausgesehen. Wir
wussten natürlich, dass es erstens kein Hundehaufen war, sondern eine in Dreck
gewälzte tote Nacktschnecke, und dass sie zweitens nicht lief, sondern dass
darunter nur ein Aaskäfer seine Arbeit verrichtete. Aber wir saÃen fast eine
halbe Stunde davor und amüsierten uns köstlich. Und Anneliese sagte bestimmt
alle halbe Minute einmal »ScheiÃe« und kicherte wie wild.
Anneliese sah so etwas sofort. Mir wäre die laufende Hundekacke
niemals aufgefallen. Anneliese sah alles, ich dagegen roch alles. Aber es gab
einfach kein Spiel mit dem Namen »Ich-rieche-was-was-du-nicht-siehst«.
Der Rosenmüller lieà auf sich warten. Vielleicht hatte er sich
ja auch vor den Fernseher gesetzt oder war nach der anstrengenden Arbeit
eingeschlafen? Und ich vergeudete meine Zeit hier im Auto mit Gedanken an
laufende Hundekacke.
Weihrauch, kam es mir urplötzlich.
Es hatte nach Weihrauch gerochen.
Mein Herz fing an zu rumpeln und zu stottern. Weihrauch? Natürlich,
Weihrauch. Aber wieso sollte ein Brief nach Weihrauch riechen, wenn nicht â¦
Wenn er nicht in der Kirche hergestellt worden war?
So ein Unsinn. Aber ich hatte den Weihrauchduft so authentisch in
der Nase, dass es nichts zu deuteln gab. Der Rosenmüller, dachte ich mir. Der
setzt sich in die Kirche und klebt grässliche Drohbriefe.
Die Tür ging auf, und Rosenmüller kam tatsächlich erneut mit eiligen
Schritten heraus. Er hatte wieder zwei dunkelblaue Müllsäcke in den Händen, von
denen einer nicht richtig dicht war und eine dunkelbraune Flüssigkeit in
regelmäÃigen Abständen auf den Bürgersteig tropfen lieÃ.
Huch. Ich hielt mir vorsichtshalber die Hand vor die Nase, obwohl
ich hier unmöglich riechen konnte, was Rosenmüller anscheinend so intensiv in
die Nase stieg. Denn er sah immer noch verdächtig bleich aus und so, als würde
er am liebsten davonlaufen. Er ging noch eine Mülltonne weiter und stopfte dort
die Müllsäcke hinein. Anscheinend war die Mülltonne von der Kathl schon voll.
Dann musste er natürlich weitergehen. Es dauerte eine Weile, bis ich diese
Information verarbeitet hatte.
Oh. Oh. Der Gedanke, der mir kam, war schrecklich. Er konnte doch
unmöglich mehrere Müllsäcke voll verdorbenem Hackfleisch entsorgen. Wenn, dann
musste es etwas GröÃeres sein. Ich suchte in Gedanken nach einer logischen
Begründung. Vielleicht hatte er sich beim Metzger einen Ochsen bestellt, in der
Annahme, er würde so viel essen. Dann hatte er es nicht geschafft, und nun war
der Ochse verdorben.
Das klang gar nicht logisch. Es klang eher so, als würde er eine
menschliche Leiche entsorgen. Und da fiel mir spontan nur der Ernsdorfer ein.
Oder hatte ich in letzter Zeit irgendjemand anderen nicht gesehen?
Den geizigen alten Langsdorfer.
Uuuh.
Vielleicht hatte er aber die Leiche auch aus München mitgebracht.
Und jetzt stopfte er sie peu à peu den Nachbarn in die Mülltonne. Ich hatte
plötzlich überhaupt keine Lust mehr, auszusteigen und Zeitungen zu klauen. Auch
wenn es meine Bürgerpflicht war, Drohbriefschreibern das Handwerk zu legen. Und
meine Journalistenpflicht.
Ich konnte meine Hand fast nicht mehr davon abhalten, den
Zündschlüssel herumzudrehen. Währenddessen stand mein Hund fröhlich auf dem
Beifahrersitz und wedelte angeregt mit dem Schwanz.
»Schluss jetzt«, fauchte ich ihn an. »Sitz. Platz. Aus.«
Er sah mich verständnislos an und blieb wedelnd stehen.
»Du bleibst da sitzen. Ich gehe zur Papiertonne.«
Er lieà seine Zunge so weit heraushängen, dass er ein lachendes
Gesicht bekam. Ich auch, schien er zu sagen.
»Nichts da«, grollte ich und zog den Autoschlüssel ab. Ich würde zur
Papiertonne gehen. Ich würde einen Packen Papier nehmen, und ich würde wieder
ins Auto steigen. Im selben Moment kam der Rosenmüller ein drittes Mal heraus,
eine wandelnde Leiche mit blauen Plastiksäcken. Ich rutschte auf dem Fahrersitz
tiefer und spürte den unbändigen Drang, mich zu übergeben.
Nein, es war nicht meine Pflicht, irgendwelche Leichenteile zu
finden. Was gingen mich die Leichen anderer Leute an? War bestimmt nicht mit
mir verwandt. Mit mir war niemand verwandt. Nur GroÃmutter, und die saà zu
Hause.
Neben mir hielt ein Audi in Daytonagrau, und Max schüttelte den
Kopf, als er meinen Kopf so auf halbmast sah.
Dass Männer immer im
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