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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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bequem auf ihre Basttasche, ordnet ihre Haare und lächelt ein wenig.

Der Tscholentbäcker
    »Am folgenden Donnerstag, als Markttag war, ging der kräftige Jossel wie gewohnt einkaufen. Er fiel auf mit der neuen Frisur, die Leute tuschelten hinter seinem Rücken, doch er schämte sich nicht. Ruhig ging er seiner Pflicht als ältester Sohn nach und besorgte Lebensmittel für die Familie am Schabbes. Als ich bei Mirele zu Besuch war, habe ich ihn kiloweise Zucker, Mehl, Rosinen, Fett und Kartoffeln ins Haus schleppen sehen, überhaupt alles, was eine elfköpfige Familie für den feierlichen Tag so benötigte. Mirele und ich haben der Mutter beim Einräumen der Lebensmittel geholfen und den Teig für den Kuchen ausgerollt. Auf Anweisung der Mutter musste Jossel einen Teil der Waren in dem kleinen Lebensmittelladen der Potoks einkaufen, um die arme Familie zu unterstützen. Die Potoks waren so arm, dass sie keinen Kredit vom Großhändler Dattelstrauch bekamen. Deshalb musste Jossel zwei Tage zuvor, am Dienstag, die Bestellung aufgeben, damit die Potoks rechtzeitig den Bedarf an Lebensmitteln beim Dattelstrauch anmelden konnten. Das Geld brachte Jossel den Potoks einen Tag zuvor, um die vorbestellten Waren zu bezahlen. Abends, wenn Rywka Scheina vom Geschäft nach Hause kam, buk und briet sie bis weit über Mitternacht hinaus schwere Bleche mit Kuchen, Fisch und Fleisch für den feierlichen Schabbes. Den Tscholent aber bereitete die Mutter am Freitag Vormittag, wenn bereits ein wenig Ruhe eingekehrt war. Sie gab Kartoffeln, Fleisch, Fett, Graupen und Bohnen in den großen emaillierten Topf, so richtig zum Sattwerden für die samstägliche Mahlzeit einer vielköpfigen Familie.
    Einen ganzen Tag lang, auf niedrigster Temperatur, musste der Tscholent im Ofen simmern. Den Ofen aber konnte die Mutter in ihrer Küche nicht von Freitag bis Samstag unentwegt brennen lassen. Deswegen wurden alle Tscholenttöpfe am Freitagnachmittag in die Backstube des Bäckers gebracht. So stand am Abend ein Tscholenttopf neben dem anderen im Ofen, rote, weiße, grüne, gelbe Töpfe, darunter runde, breite und ovale, kleine und große, niedrige, hohe und noch höhere. Die reichen Familien gaben gleich zwei Töpfe beim Bäcker ab. Der drahtige kleine Geselle mit dem Silberblick schob zuerst die reichen, dicken gusseisernen Töpfe in die wohlige mittige Wärme des Ofens, die mageren Töpfe der Armen kamen seitlich zu stehen, wo es zu heiß werden konnte für ein gutes Tscholentgericht. Die Armen hatten nun mal das Nachsehen, obwohl der Inhalt ihres Topfes einem kleinen Kunstwerk glich: Da waren die rohen, von Schmalz durchtränkten Kartoffeln hoch übereinander aufgeschichtet, dann aber, auf dem eingefetteten Gipfel, wurde das Fleisch so phantasievoll angerichtet, als bestünde das Ganze aus lauter wohlschmeckenden saftigen Fleischstückchen.
    Es gab aber auch bettelarme Familienväter, die kummervoll an der Backstube vorbeischlichen und inniglich auf ein kleines Wunder hofften, schon in der nächsten Woche ihr ältestes Kind mit einem bis an den Rand gefüllten Topf zum Bäcker zu schicken.
    Jossel schämte sich für den Topf seiner Familie. Es waren reichlich Fleischstücke darin, aber der Topf sah erbärmlich aus. Er war wohl vor langer Zeit braun gewesen, ein tiefes gleichmäßiges sattes Braun, jetzt aber war er abgeschabt, verrostet und stellenweise sogar schwarz. Der passende Deckel fehlte. Der wurde durch einen alten, ausgedienten ersetzt, der beim Kochen auffällig klapperte. Jossel verpackte den Topf in alte Zeitungen, bevor er ihn zum Bäcker brachte. Im Winter lieferte Jossel den Tscholenttopf schon um drei Uhr in der Backstube ab, weil der Feiertag nach Sonnenuntergang begann. Dann erst brachte er den kleinen Topf Kaffee, den sein Vater samstags zu sich nahm. Die frommen Männer tranken samstags vor dem Beten ihren Morgenkaffee in der Backstube, weil sie ihren eigenen Ofen daheim an Schabbes nicht anzünden durften. Wer aber zündete den Ofen in der chassidischen Bäckerei am Samstagmorgen an? Anzünden bedeutet Arbeit, und Arbeit entheiligt den Schabbes. Wer also tat es? Der Bäcker war ein Frommer, und auch sein Geselle, der Jonas mit dem schielenden Auge konnte in dieser frommen Nachbarschaft nicht anders als auch fromm sein. Dem Gesellen aber schob man den schwarzen Peter zu, er war es, der den Samstag entheiligen musste, er schob die Kohlen in den Ofen. Wenn alle, auch der Bäcker, zum Beten in der Synagoge waren, setzte

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