... und dann bist du tot
waren. »Es sei denn, ich könnte nach Hause fahren.«
»Jetzt noch nicht«, bat Joe. »Bald.«
»Kommst du noch vorbei?«
»Ich bin nicht sicher, aber ich hoffe es.«
»Arbeitest du noch am gleichen Fall?«
»Ja.«
»Wie lange noch?«
»Nicht mehr lange.«
»Ich möchte nach Hause«, sagte Jess. »Auch Sal will wieder nach Hause.«
»Und ich möchte euch beide wieder zu Hause haben. Es wird nicht mehr lange dauern.«
Jess suchte nach den richtigen Worten. Joe sah ihre Augen im Geiste vor sich. »Schwörst du mir noch immer, dass du nicht in Gefahr bist?«
»Ich schwöre es.«
»Aber du hast Schwierigkeiten.«
»Keine, mit denen ich nicht fertig werde.«
»Ich möchte, dass du es mir erzählst.«
»Ich weiß.«
Aber er erzählte ihr nichts über Lally, nichts über
Schwartz oder über das mögliche Ende seiner Karriere. Er wusste, dass es falsch war, ihr nichts zu sagen, und es gegen seine Grundsätze der Ehre verstieß. Doch zu diesem Zeitpunkt brauchte er seine ganze Energie für die Ermittlungen, und daher versuchte er sich einzureden, dass er dem ungeborenen Kind zuliebe schwieg, und sagte nichts.
Er hatte das dringende Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen. Mehr als mit jedem anderen hätte er gerne mit Sol Cohen gesprochen, um seinem gewieften alten Kollegen zu erklären, warum er seine ganze Karriere aufs Spiel setzte, warum er den sicheren Boden, auf dem die Welt der Polizeiarbeit fußte, verlassen hatte, um in die wahnsinnige Unterwelt des Frederick Schwartz einzutauchen und einen Kampf zu führen, der sich jeder Regel und jeder Ethik widersetzte. Aber Joe konnte und wollte Sol nicht in den Wahnsinn des heutigen Tages hineinziehen. Er hatte weiß Gott schon zu viele Menschen in die Sache verwickelt.
Jedenfalls war er sich nicht sicher, ob er das alles selbst noch verstand.
Obwohl er sehr krank war, wusste Schwartz, dass etwas im Gange war. Die ersten Zweifel kamen ihm, kurz nachdem er die Entlassungspapiere aus dem Chicagoer Memorial Hospital unterschrieben hatte, und während der Krankenwagen zur Klinik fuhr, begriff er allmählich, dass etwas nicht stimmte. Einerseits wusste er, dass er wieder gesund werden würde. Er hatte noch Fieber, und ihm war noch unbehaglich zumute, aber es war nicht mehr so schlimm wie zu Beginn, und er konnte wieder klarer denken. Andererseits warnte ihn seine innere Stimme, dass sie ihm auf der Spur waren. Weder der Lieutenant noch irgendein anderer Polizeibeamter hatten ihn im Krankenhaus besucht, aber nichtsdestoweniger wusste er, dass die nächste Etappe des
Spieles, die direkte Konfrontation, die er schon seit mehr als einer Woche erwartete, nun unmittelbar bevorstand.
Seltsamerweise hatte er keine Angst.
In seinem neuen Zimmer machte man es ihm bequem. Es war ein hübscher, eleganter Raum, der eher zu einem Hotel als zu einem Krankenhaus passte. Die Einrichtung bestand aus dunklen Holzmöbeln. Die Wände waren in einem blassen Cremeton gestrichen, und die Vorhänge waren beige. Die Krankenschwester legte an seinem Arm einen neuen Zugang für die Infusion, befestigte Elektroden an seiner Brust, an den Hand- und Fußgelenken, schaltete das EKG-Gerät ein und verließ das Zimmer, damit er sich ausruhen konnte. Alle strahlten Ruhe aus und waren freundlich. Es war nicht unangenehm, im Mittelpunkt von so viel Aufmerksamkeit und Freundlichkeit zu stehen. Es erinnerte ihn an seine Mutter, aber eigentlich taten das die meisten Dinge auf die eine oder andere Weise.
Als Joe kurz nach zehn zum ersten Mal Schwartz’ Zimmer betrat, schlief dieser, und als Joe ihn einen Augenblick beobachtete, wurde er sich einer absoluten inneren Ruhe bewusst, die seinen Geist beherrschte. Es war eine seltene Form von Konzentration. In diesem Augenblick existierte für Joe nur noch dieser Fall. Er hatte so etwas erst einmal kurz vor seinem letzten Gespräch mit dem Brandstifter erlebt. Seine eigene Hartnäckigkeit und das Ego des Mörders hatten diesen Mann in die Knie gezwungen. Eitelkeit und das überwältigende Bedürfnis, endlich als ein Mitglied eines Exklusivclubs anerkannt zu werden: als eines der auserwählten Wesen der Massenmörder. Schwartz’ Schreckensherrschaft war vielleicht aus dem Wunsch nach Rache geboren worden, aber Joe hätte seinen letzten Cent verwettet, dass sein Ego schon längst die Oberhand gewonnen hatte.
Schwartz öffnete die Augen.
»Wie geht es Ihnen, Lieutenant?«
Vielleicht war er die ganze Zeit wach, dachte Joe.
»Mir geht es sehr gut, Sir,
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