... und dann bist du tot
roten Gummiball, der hinter dem Sessel lag, in die Schnauze und warf ihn auf ihren Schoß. »Fein, danke«, sagte sie.
Die Standuhr in der gegenüberliegenden Ecke tickte im Sekundentakt. Lally schaute sich in dem Zimmer um und sah auf die Fotos auf dem großen Eichenschrank und die Gemälde über dem Kaminsims, zwei Landschaften und ein Porträt von Andrea Webber, das sicher schon vor einigen Jahren gemalt worden war. Ihr Blick wanderte weiter durch den Raum und verharrte auf dem Bücherschrank. Ein Fach war mit Werken von Chris Webber gefüllt, ein anderes mit Ballettbüchern voll gestopft, und ein blauer, in Leder gebundener Hundeführer lag in dem mittleren Fach neben einer Reihe von Silbertrophäen für verschiedene Leistungen. Es sah alles solide, gemütlich und sicher aus, das perfekte amerikanische Familienhaus, doch irgendwie, dachte Lally, fühlte man sich hier nicht sicher.
Einbildung, sagte sie sich. Das bilde ich mir nur ein.
Von draußen drang gereiztes Hundegebell ins Zimmer, irgendwo in den oberen Stockwerken waren Stimmen zu hören, und obgleich keine der Personen wirklich schrie, spürte Lally, dass dort ein Streit im Gange war.
Der Hund schaute sie an.
»Möchtest du den Ball zurück?«
Der Hund wedelte mit dem Schwanz. Langsam und vorsichtig ließ Lally den Ball von ihrem Schoß auf den Teppich rollen. Der Hund sprang auf den Ball, kaute einen Moment auf ihm herum und warf ihn dann zurück.
Sie hörte Schritte auf der Treppe.
»Es tut mir Leid.« Katy stürzte ins Zimmer. Sie trug Jeans und ein weißes Sweatshirt und hatte ihre neuen Spitzenschuhe in der Hand. Ihr Gesicht und ihre Augen waren gerötet, als hätte sie geweint. »Ich musste noch etwas fertig machen.«
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte Lally.
Katy versuchte zu lächeln. »Das ist Jade. Ist sie nicht großartig?«
»Ja, ein schöner Hund.« Lally hatte nie zuvor bemerkt, wie sehr Katy ihrem Vater ähnelte. Sie hatte die leicht nach oben gebogene Nase ihrer Mutter, und ihr blondes Haar war glatter als das von Chris Webber, aber ihre dunkelblauen Augen sahen fast genauso aus wie die ihres Vaters, und sie hatte die gleiche energische Kerbe im Kinn.
»Vater sagt, dass Sie mit mir über die Schuhe sprechen möchten.« Katy hatte Angst. »Mache ich etwas falsch?«
»Nein, nein«, beruhigte Lally sie. »Es ist nur ein kleiner technischer Punkt, aber ein wichtiger.« Sie holte tief Luft. Ihre Brust war noch immer vor Nervosität wie zugeschnürt. »Es geht um deine Bänder.« Sie beugte sich vor, öffnete ihre Schultertasche und zog ein Paar Ballettschuhe heraus. »Halte deine mal daneben, und dann zeige ich dir das Problem.«
Der Wortwechsel oben begann von neuem. Lally sah, dass Katy noch mehr errötete und sich die Traurigkeit in ihrem Blick verstärkte. Jetzt wusste sie, dass sie genau im richtigen Moment gekommen war, um zu erfahren, wo Katys Verletzungen herrührten. Wäre sie doch bloß nicht hierher gekommen! Sie wünschte, sie wäre zu Hause geblieben oder in Hugos Cafe gegangen.
Katy konzentrierte sich nur auf ihre Schuhe. »Habe ich die Bänder falsch angenäht?«
»Nein, das hast du ausgezeichnet gemacht«, lobte Lally sie. »Und du hast die richtige strapazierfähige Baumwolle genommen, aber du hast sie ein wenig zu weit vorn angenäht. Siehst du?« Sie zeigte es ihr. »Auf den ersten Blick mag es vielleicht nicht so wichtig erscheinen, doch diese Bänder sind das A und O für die Sicherheit des Tänzers.«
Jemand stieg die Treppe hinunter, und einen Augenblick später stand Chris Webber vor ihnen. Er war noch aufgeregter als zuvor. Vater und Tochter wechselten einen schnellen Blick, der ihre Bestürzung offenbarte, und Lally wusste mit einem Mal, dass die Probleme, die es hier in diesem Hause auch immer geben mochte, nicht zwischen diesen beiden bestanden. Jetzt kam sie sich wirklich wie ein Eindringling vor.
»Und, kommt ihr zurecht?«, fragte Chris Webber.
»Ich habe meine Bänder an der falschen Stelle angenäht, Paps.«
»Hast du das, mein Schatz?« Er schaute Lally an, lächelte ihr zu und setzte sich auf die Couch. Jade trottete zu ihm und legte ihren Kopf auf sein linkes Knie. Chris streckte eine Hand aus und streichelte sie geistesabwesend. »Bitte«, sagte er, »ich möchte euch nicht unterbrechen.«
Lally sprach automatisch weiter. Sie wiederholte die Standard-Ballettschuhlektion, die sie Katys Klasse erst vor wenigen Tagen erteilt hatte, und Katy hörte aufmerksam zu, als hätte sie all das noch
Weitere Kostenlose Bücher