... und dann bist du tot
Sandstein wahrscheinlich einen ständigen Kleinkrieg gegen all die Dinge führten, gegen die man als ordentlicher Bürger zu kämpfen hatte. Wenn in einem Haus wie dem Carlyle etwas mit der Elektrizität, der Klimaanlage oder den Aufzügen nicht in Ordnung war oder jemand in einem Vorratsraum ein Wanzennest fand, würde Mr. Hagen es zweifellos nie erfahren. In Schwartz’ Haus gab es wahrscheinlich eine Reihe von Mieterausschüssen, deren Bemühungen immer wieder scheiterten, weil die Mieter einerseits in gewisser Weise gleichgültig waren und andererseits zu viele mitreden wollten. Hagen lebte im dreiunddreißigsten
Stock im Carlyle. Schwartz lebte in der zweiundzwanzigsten Etage seines Hauses. Hagens Terrasse gab den Blick auf den Michigansee und die Prachtmeile frei, die ein paar hundert Meter weiter rechts lag. Schwartz’ Wohnung hatte keinen Seeblick und keinen Balkon, aber wenn er sich aus seinem Wohnzimmerfenster lehnte, konnte er sicher auch den See sehen. Joe dachte später darüber nach, dass Schwartz Hagens Lebensstil zweifellos so gut er konnte nacheiferte, obwohl sich die Einrichtungen gewaltig unterschieden. Er wusste nicht, ob Schwartz jemals die Wohnung seines Chefs betreten hatte. Außerdem konnte er nicht sagen, ob es eine Art Schmeichelei oder eine Art Neid war. Es war zumindest interessant. Das war immerhin etwas.
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich zu empfangen, Sir«, sagte Joe an der Wohnungstür.
»Ich freue mich, Sie zu sehen, Lieutenant. Ich habe außer meinem Arzt niemanden mehr gesehen, seitdem ich die Fabrik am Freitag verlassen habe.«
Schon Hagen hatte grauenhaft ausgesehen, aber Schwartz sah noch schlimmer aus. Auch er trug einen seidenen Hausmantel, obwohl seiner ein schottisches Muster hatte und alt aussah, wenn er auch peinlich sauber und gebügelt war. Sein buschiges graues Haar war sorgfältig gekämmt, und sein unauffälliges Gesicht mit den schmalen Gesichtszügen sah blass aus. Das Weiß in seinen trüben braunen Augen war rosa, und Stirn und Oberlippe waren mit Schweiß bedeckt. Er trug einen burgunderroten Pyjama unter seinem Hausmantel und roch nach Menthol, als hätte er seine Brust eingerieben.
»Sollten Sie nicht im Bett liegen?«, fragte Joe ernsthaft besorgt.
»Im Bett fühle ich mich noch schlechter«, erwiderte Schwartz, der einen Schritt zurückwich. »Sie sollten Abstand halten, Lieutenant. Sie wollen sich doch sicher nicht anstecken.«
»Wenn ich mich bis jetzt noch nicht angesteckt habe, bin ich hoffentlich immun.«
Schwartz, der so ruhig und bescheiden wirkte, hatte eine überraschend wohlhabende Wohnung. Joe ging über persische Teppiche, als Schwartz ihm den Weg ins Wohnzimmer wies, das mit schweren Vorhängen ausgestattet war. In der Mitte hing ein glitzernder Kronleuchter, und an den Wänden standen Bücherregale. Joe fiel ein, dass er bei Hagen überraschenderweise keine Bücher gesehen hatte, aber vielleicht hatten Wohnungen im Carlyle ihre eigene Bücherei. Aus zwei Lautsprechern, die in einer Mahagonischrankwand im Stil der dreißiger Jahre standen, drang leise Musik. Eine Oper. Joe lächelte im Stillen. Noch eine Liebe, die die beiden teilten, oder noch etwas, das einer nachahmte.
»Sie haben eine schöne Wohnung, Mr. Schwartz.«
»Danke, Lieutenant. Möchten Sie sich nicht setzen?« Schwartz zeigte auf einen mit Brokat bezogenen Lehnstuhl. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nein danke, Sir.« Joe setzte sich hin und betrachtete ein Porträt in einem verzierten Rahmen, das über dem Sofa hing. »Eine schöne Frau.«
»Meine Mutter. Mein Vater hat es gemalt.«
»Es ist wunderschön.«
»Danke.« Auch Schwartz setzte sich hin und verzog ein wenig das Gesicht, als ob seine Gelenke schmerzten. Er nahm aus der Tasche seines Hausmantels ein weißes Leinentaschentuch und wischte sich damit die Stirn ab. »Verdammt«, sagte er, »ich war schon seit Jahren nicht mehr krank.«
»Detective Lipman liegt auch seit gestern flach.«
»Die Arme. Es tut mir Leid«, sagte Schwartz.
Joe zögerte. »Darf ich sofort zur Sache kommen, Sir?«
»Dafür wäre ich dankbar.«
»Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie wirklich mehr über das laufende Sortiment von Hagen-Schrittma-chern wissen als irgendein anderer einschließlich Mr. Hagen.«
»Das ist wahrscheinlich richtig.« Schwartz blieb sachlich.
»Ich weiß, dass Sie noch immer glauben, so etwas könne in diesem Unternehmen nicht passieren.«
»Sie wollen wohl sagen, dass ich es
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