... und dann bist du tot
Joe zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und ging zur Haustür.
»Das ist nicht fair.« Toni stand kurz davor, aus der Haut zu fahren. »Du kannst doch nicht einfach so gehen. Sag mir wenigstens, was ich tun kann.«
Joe ließ sich erweichen. »Stöbere herum und sieh nach, ob du irgendetwas finden kannst, was uns helfen könnte, Landkarten, oder vielleicht haben sie Reiseführer markiert oder etwas aufgeschrieben, was auch immer. Und denk noch einmal genau nach. Vielleicht hat sie etwas gesagt, was du nicht für wichtig gehalten hast, etwas, das du vergessen hast.« Er blieb stehen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich würde dir gerne mehr sagen, aber das kann ich leider nicht, Toni.« Er öffnete die Tür und drehte sich dann noch einmal um. »Wenn Lally und Hugo dich anrufen, dann doch wohl zu Hause, oder?«
»Oder im Cafe, aber ich glaube nicht, dass sie anrufen werden.« Sie dachte nach. »Und was ist, wenn mein Telefon kaputt ist? Du hast mich ja auch nicht erreicht.«
»Wenn du dich hier umgesehen hast, geh nach Hause und lass es von der Telefongesellschaft überprüfen. Sag ihnen, dass es ein Notfall ist, und beruf dich auf mich, falls es helfen sollte. Und sage allen, die im Cafe arbeiten, Bescheid, um sicherzustellen, dass sie sich, falls Lally und Hugo anru-fen, eine Telefonnummer geben lassen, unter der sie zu erreichen sind. Sie sollen ihnen sagen, dass sie sich nicht vom Fleck rühren dürfen. Nicht vom Fleck rühren - verstehst du?«
»Ich verstehe.«
Joe hatte erwartet, dass Chris Webber ihm auf den ersten Blick unsympathisch sein würde, aber das war nicht der Fall. Der Mann war allein zu Hause, und nach dem Geruch der Farbe und den frischen Farbflecken auf seinem blauen Pullover zu schließen, malte er gerade. Zwei freundliche deutsche Schäferhunde standen hinter ihm und wedelten mit dem Schwanz. Joe stellte sich vor, und als er Lallys Namen nannte, schien Webber fast aufzuleuchten. Er versuchte nicht, seine Gefühle zu verbergen, und es war keine Spur von Gewissensbissen zu erkennen. Joe sah sofort, dass Chris Webber in seine Schwester verliebt war und es kein Problem für ihn war, dass Joe es erfuhr.
Webber wusste gar nichts von einem Urlaub.
»Ich wusste noch nicht einmal, dass sie wegfahren wollten.«
»Aber Sie wussten, dass sie krank war?«
»Ja.« Als Chris Joe ansah, blickten ihm aus seinem angespannten Gesicht Lallys grüne Augen entgegen. »Sie nicht?«
»Nein.«
»Ich habe sie letzten Samstag gesehen.« Chris versuchte, Joe zu beruhigen. »Sie war wirklich in guter Verfassung. Diese Schrittmacher sind wunderbare Geräte. Die Ärzte sagen, dass sie nun alles tun könne, was sie früher auch getan hat.«
Sie standen noch immer im Flur. Die Atmosphäre war in höchstem Grade angespannt.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«, fragte Chris.
»Sie dürfen.«
Die Küche war groß und hell. Auf der Spüle standen Töpfe und Schüsseln, die schon gespült, aber noch nicht weggeräumt worden waren. Ein Kanten Brot lag auf einem Brett auf dem Eichentisch inmitten von Krümeln, und daneben stand ein Becher abgestandener, kalter Kaffee. Joe fragte sich, was Webbers Frau wohl trieb, und er spürte wieder, dass Wut in ihm aufkeimte, aber er unterdrückte dieses Gefühl entschlossen.
»Ich muss Lally dringend finden«, sagte er. »Sind Sie ganz sicher, dass sie nichts über einen Urlaub gesagt hat, als Sie sie zum letzten Mal sahen? Hat sie je etwas davon gesagt, dass sie nach Florida reisen wollte?«
Chris schüttelte den Kopf. »Ich kenne Lally noch nicht lange. Nein, sie sprach nicht darüber, zu verreisen. Doch da ich sie nicht erreichen konnte, habe ich die Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich habe mir Sorgen gemacht und wollte eigentlich nachher ins Cafe gehen, falls sie sich nicht meldet.«
Er goss frischen Kaffee in zwei Tassen und stellte sie auf den Tisch. Mit der rechten Hand fegte er die Krümel in seine linke Hand und warf sie in den Mülleimer. Die beiden Hunde trieben sich noch eine Weile herum und legten sich dann zusammen in eine Ecke.
»Darf ich Ihnen etwas zu essen anbieten?«
»Nein danke.« Joe schaute auf die Wanduhr. Es war fast zwei Uhr. »Darf ich mal telefonieren? Es ist ein Ferngespräch, aber ich werde Ihnen die Gebühren erstatten.«
»Nicht nötig.« Chris nahm ein weißes Telefon mit einer langen Schnur von einer der Arbeitsplatten und stellte es vor Joe auf den Tisch. »Ich bin solange nebenan.«
Joe rief bei
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