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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Basisdemokratie predigte und zu linken, aber gewaltfreien Splitterparteien tendierte, während er selber in seinen besten Jahren Obersturmbannführer gewesen war und bis zum heutigen Tag behauptete, dass die Nazis „gar nicht so schlecht“ gewesen wären, wenn sie nur „das mit den Juden“ nicht gemacht hätten.
    Mehr als einmal hatte ich Ulli wutschnaubend und mit zorngerötetem Kopf am Telefon hängen sehen, während Opa Hermann am anderen Ende der Leitung mit schneidender Stimme die laxe Moral der Jugend und den Verfall der Sitten im Allgemeinen anprangerte, dann in einem Atemzug so unterschiedliche Minderheiten wie Schwule, Sozialhilfeempfänger, allein erziehende Mütter und türkische Migranten niedermachte, die ihm seine Rente stehlen würden, den Verlust der Ostgebiete bedauerte, alle Einwohner der ehemaligen DDR als Stasi-Mitarbeiter und arbeitsscheu denunzierte und Ulli am Ende des Gesprächs dann vorwarf, sich nur deshalb mit seinem Großvater abzugeben, weil er auf dessen Ableben und das zu erwartende, nicht unbeträchtliche Erbe spekuliere.
    „Ja, und?“ bohre ich nach, während ich Adolf nicht aus den Augen lasse.
    „Opa Hermann ist vor zwei Wochen gestorben“, sagt Ulli weinerlich, „und Adolf ist seine letzte Rache an mir. Gestern war die Testamentseröffnung. Sein Geld hat er der DVU vermacht und ich habe dieses … dieses Ungeheuer bekommen! Mit der Knete habe ich fest gerechnet!“
    Zumindest ansatzweise kann ich die Tragik der Ereignisse nachvollziehen, aber ich muss zugeben, dass ich der Sache auch eine gewisse Komik abgewinne.
    „Das ist aber noch nicht alles“, fährt Ulli deprimiert fort. „Ich glaube, der Alte hat mich wirklich gehasst, sonst hätte er mir das hier bestimmt nicht angetan.“ Er nickt dem Hund zu und sagt resigniert: „Adolf, den deutschen Gruß!“
    Die Dogge bellt erfreut und dann hebt sie langsam, fast ehrfürchtig die rechte Pfote und streckt sie kerzengerade nach vorne. Anschließend zieht sie ihre Lefzen nach oben, und es sieht fast so aus, als würde der Hund süffisant grinsen.
    Auf dieses Schauspiel bin ich nicht vorbereitet. Meine Kinnlade klappt nach unten und ich weiß nicht, was ich sagen soll. In meiner Kehle gluckst es fast unwiderstehlich und ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszugackern.
    „Super“, bringe ich schließlich mühsam heraus, „eine Deutsche Dogge, die auf Befehl den Hitlergruß macht. Und das dir! Na, zumindest kann man deinem Opa nicht fehlenden Humor vorwerfen. Kann Adolf auch das Horst-Wessel-Lied bellen?“
    „Nein, aber er kann noch den Reichspropagandaminister nachmachen.“
    Ich sehe Ulli fragend an.
    Ulli sagt: „Adolf, Joseph Goebbels!“ und die Dogge steht gehorsam auf, läuft einmal langsam um uns herum und hinkt dabei mit einer Hinterpfote, als hätte sie einen Klumpfuß.
    Jetzt kann ich mich wirklich nicht mehr halten. Während ich lauthals loslache, lehne ich mich an Rafaels Schulter, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Sensationell“, stammele ich schließlich und wische mir die Tränen aus den Augenwinkeln. „Mit der Nummer kannst du als Pausenfüller in jedem politischen Kabarett auftreten!“
    „Das ist nicht witzig!“ antwortet Ulli verärgert. „Wenn Adolf nur auf Aufforderung die rechte Pfote heben würde, wäre es ja nicht so schlimm. Ich bräuchte es ihm ja nur nie wieder zu befehlen. Aber Opa Hermann hat dem Hund zusätzlich eine gehörige Portion dieses typisch deutschen Respekts vor Autorität und Amtspersonen beigebracht. Sobald er eine Uniform sieht, wird er automatisch zum unterwürfigen Mitläufer. Heute Morgen beim Gassigehen haben wir zwei Streifenpolizisten getroffen – übrigens ganz bei dir in der Nähe, Marco – und Adolf hat sich vor die beiden Männer gesetzt und völlig unaufgefordert den deutschen Gruß gemacht. Die Bullen haben natürlich gedacht, ich wollte sie beleidigen und sie wegen ihrer Uniform in die Nähe von Faschisten rücken, und wollten mich wegen Beamtenbeleidigung anzeigen, aber ich habe erklärt, dass ja nicht ich, sondern Adolf die rechte Pfote gehoben hat und dann haben sie wohl festgestellt, dass es kein Gesetz gibt, das es einem Hund untersagt, einem Beamten den Hitlergruß zu entbieten. Kannst du dir vorstellen, wie peinlich das war?“
    Ich nicke etwas atemlos nach Ullis langwieriger Erklärung, aber mein Chef hat seine Geschichte noch nicht beendet. „Und dann, als ob das alles noch nicht genug wäre“, fährt er fort, „hat Adolf sich

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