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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Leben leben! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“
    „Oh, oh“, sagt Rafael. „Das zweite Mal innerhalb einer Stunde, dass jemand meiner Anwesenheit überdrüssig ist. Aber Finn hat seine Meinung geändert, und du wirst es auch wieder tun.“
    „Ich denke nicht daran!“ erwidere ich höhnisch. „Ich werde einen Freudentanz aufführen, wenn du weg bist.“
    „Tut mir Leid, Marco“, sagt Rafael bedauernd, „aber du musst mich noch eine Weile ertragen. Ich kann dich noch nicht verlassen.“ Sein Blick kehrt sich nach innen, als lauschte er nach etwas, das ich nicht hören kann. Dann sieht er mich an und sagt: „Die Würfel sind gefallen. Wir fahren bald weiter.“
    „Was soll das heißen? Ich fahre nirgendwo mehr hin mit dir. Unser ‚Urlaub‘ ist hiermit storniert!“ sage ich. „Hör auf, Sphinx zu spielen. Dieses übersinnliche Getue geht mir auf die Nerven!“
    Anstatt mir eine Antwort zu geben, sieht Rafael zur Tür, die in diesem Moment mit einem solchen Ruck aufgerissen wird, dass sie an die Wand knallt. Meine Schwester steht plötzlich mitten im Zimmer, genau wie ich bebend vor Wut.
    „Dieser Mistkerl!“ schreit sie mich an und schaltet das Licht ein. Sie war anscheinend gar nicht im Bett, denn sie trägt noch immer die Jeans und den schlabbrigen Pullover, die sie nach dem Angriff der Heidschnucken gegen ihre verdreckte Kleidung ausgetauscht hatte. Ihre Augen sind weit aufgerissen, ihre Haare stehen wirr in alle Himmelsrichtungen und sie zittert am ganzen Körper. Sie sieht aus wie eine karibische Geisterbeschwörerin, der man das Voodoo-Püppchen geklaut hat.
    „Wer?“ frage ich. „Rafael?“
    „Wieso Rafael? Klaus natürlich! Er ist ein wandelndes Sexualhormon! Das personifizierte Testosteron! Gerade hab ich ihn erwischt, wie er diese kleine Lolita schon wieder begrapscht hat! Sie ist vor ihm die Treppe hinaufgegangen und er hat ihren Hintern befummelt!“ Ohnmächtig vor Zorn schlägt Sabine mit der Faust gegen die Wand. Dann lässt sie sich neben Rafael aufs Bett fallen, streckt Arme und Beine von sich und starrt trostlos an die Decke. „Und wisst ihr, was er als Entschuldigung vorgebracht hat? Es sei alles meine Schuld! Ich hätte meine Weiblichkeit verloren! Er könne Frauen nicht leiden, die glaubten, sie müssten erfolgreicher sein als Männer. Colette dagegen würde zu ihm aufsehen und ihn anhimmeln, während ich ihn immer nur kritisieren würde. Ist das nicht unglaublich? Er will jagen und sammeln und ich soll zu Hause bleiben und die Körbchen flechten, um darin die Ernte aufzubewahren! Ich habe ein reaktionäres Chauvi-Schwein geheiratet!“ Sabine holt tief Luft. „Keine Nacht länger bleibe ich mit diesem Mann unter einem Dach! Morgen früh schnappe ich mir die Kinder und fahre mit euch mit!“
    „Was?“ frage ich entsetzt. Der überraschende Entschluss meiner Schwester passt mir überhaupt nicht in den Kram. Natürlich kann ich verstehen, dass sie Klaus verlassen will, aber was habe ich damit zu tun? Gerade will ich Rafael zum Teufel schicken – gut, vielleicht eine etwas ungeschickte Metapher –, doch jetzt droht mir Sabine dazwischenzufunken. Warum schmeißt sie ihren Mann nicht einfach raus? Das wäre doch viel praktischer! Außerdem, muss sie sich nicht um den Hof kümmern und auf ihre blöden Heidschnucken aufpassen?
    „Klaus soll ruhig schauen, wie er allein zurechtkommt. Mal sehen, wie ihm seine bezaubernde Colette gefällt, wenn sie von den Schafen überrannt wird“, sagt Sabine. „Dann hat sie nämlich keine Zeit mehr, sich die Beine zu rasieren und stundenlang ihr seidiges Haar zu kämmen! Dann kann er ihre Weiblichkeit im Matsch suchen!“
    „Äh, Sabine“, beginne ich zögernd, „Rafael und ich werden nicht …“
    Doch meine Schwester lässt mich gar nicht zu Wort kommen. „Mein Gott, Marco, jetzt stell dich nicht so an!“ unterbricht sie mich. „Ich will doch die Kinder nur ein paar Tage zu den Eltern bringen, damit sie wenigstens über Weihnachten nicht in dieses Chaos hineingezogen werden! Ihr fahrt doch sowieso dahin und Platz genug habt ihr im Auto auch.“
    „Wie bitte?“ Ich habe das Gefühl, im falschen Film zu sein. „Seit wann fahren wir zu unseren Eltern? Davon weiß ich nichts!“ Anklagend sehe ich Rafael an, der damit beschäftigt ist, akribisch ein paar unsichtbare Staubflusen von der Bettdecke zu klauben.
    „Es sollte eine Überraschung werden“, murmelt er verlegen.
    „Du lässt auch wirklich nichts unversucht, um dich

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