Und dann der Tod
abwechselnd.
Esteban.
»Ihr Morgenmantel hängt an der Tür.« Er schloß die Tür, und sie war allein.
Nein, nicht allein.
Die Erinnerung an Emily, wie sie sie im Beerdigungsinstitut gesehen hatte, blieb haften. Würde sie jetzt immer dieses Bild von ihrer Schwester vor sich sehen? Wurden alle Erinnerungen an die Vergangenheit durch dieses eine Bild ausgelöscht?
Schieb es weg, wehr es ab. Am liebsten würde sie wieder heulen, und das machte sie schwach. Sie mußte nachdenken und planen. Sie durfte jetzt nicht schwach sein. Sie mußte so stark sein, wie Emily es an ihrer Stelle wäre.
Sie hatte schließlich gelernt, daß es zu nichts führte, wenn man die Monster ans Licht brachte.
Man mußte sie töten.
Sie blieb fast eine Stunde im Badezimmer.
Kaldak blickte auf, als sie die Küche betrat. »Ihre Suppe ist kalt.« Er stand auf und nahm die Schüssel. »Ich stelle sie kurz in die Mikrowelle.«
»Wir essen in der Küche?« Sie deutete ein Lächeln an.
»Das würde Ihre Mutter nicht billigen.«
»Sie hatte Verständnis für Notfälle. Nehmen Sie Platz.«
»Okay.« Sie setzte sich an den Tisch und sagte zögernd:
»Es tut mir leid … ich habe Sie … angeschrien. Dabei haben Sie nur getan, was Sie für das Beste hielten.«
»Kein Problem.«
»Und Sie waren sehr nett zu mir vergangene Nacht. Danke.«
»Um Himmels willen, ich möchte nicht, daß Sie sich bei mir bedanken.« Er musterte ihr Gesicht. »Geht es Ihnen gut?«
Nein, es ging ihr nicht gut. Emily war tot und Esteban nicht.
»Mir geht’s gut.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht. Sie sind bleich wie ein Laken und sehen aus, als würden Sie gleich umfallen.«
»Mir geht’s gut«, wiederholte sie.
»Ich habe Dr. Kenwood heute morgen angerufen. Josie ist auf dem Weg der Besserung.«
»Weiß er schon, wann sie operiert wird?«
»Er will sich noch nicht festlegen.« Er stellte die Suppe vor sie hin. »Er sagt, daß sie noch mehr Blutkörperchen bilden muß.«
Blut, das Esteban ihr abgezapft hatte.
»Hat schon irgend jemand Tom und Julie wegen Emily benachrichtigt?«
»Noch nicht. Sie sind nicht zu erreichen. Sie halten sich immer noch in Kanada auf.«
»Ich möchte nicht, daß Sie versuchen, sie zu finden. Ich möchte nicht, daß sie es erfahren.«
»Warum nicht?«
»Sie würden hierherkommen, und das wäre gefährlich für sie.
Sie haben doch selbst gesagt, daß man es vielleicht auf sie abgesehen hat.«
Er nickte. »Wir werden weiterhin die Ranger-Station und ihre Wohnung im Auge behalten.«
»Ich möchte nicht, daß sie Emily sehen … so wie ich sie gesehen habe.« Sie brauchte eine Weile, um ihre Stimme zu beruhigen. »Tom und Julie würden genausowenig wie ich glauben, daß sie tot ist. Sie würden den Sarg öffnen und sie sehen – ich kann es nicht zulassen. Sie soll in Würde und Achtung begraben wird. Können Sie für morgen ein stilles Begräbnis arrangieren? Wenn wir es ihnen dann sagen, kann ich Julie erzählen, daß ihre Mutter an einem Ort ist, der –«
»Sie sind nicht die nächste Angehörige. Tom Corelli hat das Recht, diese Entscheidung zu treffen, Bess.«
»Ich nehme mir dieses Recht.« Sie nahm den Löffel in die Hand, die ein wenig zitterte. »Sie können es veranlassen. Sie sind die CIA. Wenn Sie Papiere fälschen und Leute töten können, dann können Sie auch das tun. Ich werde nicht zulassen, daß Tom und Julie Emily in diesem Zustand zu Gesicht bekommen. Sie sollen sie in Erinnerung behalten, wie sie vor Esteban war – Sorgen Sie dafür, Kaldak.«
Er nickte langsam. »Ich werde es in die Wege leiten. Aber die Beerdigung sollte heute stattfinden. Je eher wir hier wegkommen, desto besser.«
»Morgen.« Sie würde morgen soweit sein. Sie war noch nicht stark genug. Sie mußte sich zwingen, von der Suppe zu essen. Iß die Suppe, das Sandwich. Versuch zu schlafen heute nacht.
Sammle deine Kräfte. »Morgen, Kaldak.«
»Es gefällt mir zwar nicht, aber – na gut.« Er sah ihr beim Essen zu. »Aber jetzt muß ich Sie um einen Gefallen bitten. Ed kann mit der Blutprobe arbeiten, aber er braucht noch mehr.«
Blut. Sie hatte es fast vergessen. Sie durfte es nicht vergessen.
Es wurde für die Vergleichsprobe gebraucht. »Nehmen Sie es mir jetzt ab.«
»Ich kann noch ein bißchen warten.«
»Machen Sie schon.«
Er erhob sich vom Tisch und verschwand im Wohnzimmer.
Als er wieder hereinkam, hielt er das Etui aus schwarzem Leder in der Hand. Darin befand sich das Blutabnahmebesteck, das er auch schon auf
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