Und dann der Tod
verließ die Krypta. Die Luft war feucht und kühl. Bess atmete tief ein und betrachtete den Friedhofswächter, der das Eisentor der Krypta verschloß. Durch die Zypressen fiel das erste Tageslicht auf die Inschrift des Grabmals.
Cartier.
Kaldaks Blick folgte dem ihren. »Ein gewisser Etienne Cartier hat mir den Platz für Emily vorübergehend zur Verfügung gestellt. Das hier ist seine Familienkrypta. Hier muß jeder über der Erde begraben werden.«
Das war ihr bekannt. Nicht einmal Kaldak hätte sie zugetraut, jemanden dazu zu überreden, seine letzte Ruhestätte herzugeben. »Vorübergehend?«
»Ich bin davon ausgegangen, daß Tom Corelli sie wahrscheinlich nach Hause holen will.«
Nach Hause holen. Die Worte klangen liebevoll und melancholisch zugleich. Emily nach Hause holen.
»In der Zwischenzeit ist sie hier sicher.«
Sicher in diesem Grab. Waren denn die Toten nicht immer sicher? Sie hatten keine Probleme, keine Angst oder Wut …
»Sind Sie damit einverstanden?« fragte Kaldak.
Sie nickte. »Ich glaube, ich habe darüber noch gar nicht nachgedacht. Emily hätte nicht für immer hierbleiben wollen.
Sie hat New Orleans nicht besonders gemocht. Sie hätte nach Hause gewollt.« Sie wandte sich ab und ging weg. Nicht über sie nachdenken. Nicht zurückblicken. Du verläßt sie ja nicht. Sie wird immer bei dir sein.
Kaldak holte sie ein, und sie gingen schweigend den von Grabstätten gesäumten Kiesweg entlang.
»Wie haben Sie das geschafft, daß man uns so früh auf den Friedhof gelassen hat?« fragte Bess, als sie sich dem Tor näherten.
»Nun, Ramsey hat seine Beziehungen.«
»Versuchen wir, einem gedungenen Mörder aus dem Weg zu gehen? Schleichen wir deswegen so herum und begraben meine Schwester bei Dunkelheit?«
»Glauben Sie, ihr wäre es lieber gewesen, daß Sie bei Tageslicht ein leichtes Ziel abgeben?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Deshalb sind wir so früh am Morgen hier, und deshalb sind auch acht Agenten hinter den Grabmälern postiert.«
Bess ließ ihren Blick über die Reihen der Grabmäler wandern.
»Ich kann keine sehen.«
»Das sollen Sie auch nicht.«
Sie hätte ohnehin nichts bemerkt auf dem Weg vom Auto zur Grabstätte. Sie hatte an nichts anderes als an Emily denken können.
Aber es war vorbei. All das war jetzt vorbei.
Kaldak hielt sie auf, als sie in Richtung des gemieteten braunen Lexus gehen wollte, der am Bordstein geparkt war.
»Einen Moment.« Er warf einen Blick auf einen Mann in einem karierten sportlichen Mantel, der gerade aus einem ein paar Meter entfernt geparkten Sedan ausstieg.
Sie erstarrte.
»Alles in Ordnung. Er ist einer von unseren Leuten. Er hat unseren Wagen bewacht.«
Der Mann nickte, und Kaldak öffnete die Beifahrertür.
»Hatten Sie Angst vor einer Bombe oder so was?«
»Ich habe Angst vor allem und jedem«, erwiderte er, während er sich ans Steuer setzte. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Ist Ramsey in dem Wagen?«
»Wahrscheinlich.«
»Was für ein Mann ist er?«
Er sah sie überrascht an. »Was meinen Sie damit?«
»Beim Beerdigungsinstitut hat er einen sehr ärgerlichen und ungeduldigen Eindruck gemacht.«
»Er muß sich um alles kümmern.«
»Genau wie Sie.« Ihr Blick ging noch einmal zu dem Sedan.
»Trauen Sie ihm?«
»Bis zu einem bestimmten Punkt. Ich habe ihn kennengelernt als jemanden, der auf dem Weg in die Führungsetage der Firma seine Ellbogen benutzt hat. Er leistet gute Arbeit, aber er ist ehrgeizig, und das prägt das Verhalten eines Menschen.«
»Das stimmt.« Sie wandte den Blick nach Osten. »Die Sonne geht auf.«
»Deshalb sollten wir uns lieber beeilen. Ich bin froh, wenn ich Sie aus der Stadt gebracht habe. Wir verlassen die Stadt direkt von hier aus. Ich werde dafür sorgen, daß jemand Ihre Koffer aus der Wohnung abholt und –«
»Nein.«
Er hielt inne und drehte sich langsam zu ihr. »Was?«
»Wir fahren nicht. Zumindest noch nicht. Bringen Sie mich zurück in meine Wohnung und schicken Sie jemanden zu Ramsey. Ich möchte mit ihm reden.«
»Sie können am Telefon mit ihm reden.«
»Von Angesicht zu Angesicht. Ich möchte über alles Klarheit haben. Erinnern Sie sich noch, wie ich Ihnen einmal erklärt habe, daß ich immer Klarheit haben will?«
Er schwieg einen Moment. »Ich erinnere mich.«
»Also bringen Sie mich in meine Wohnung. Oder ich steige aus und laufe, Kaldak. Haben Sie Lust, hinter mir herzutrotten?«
»Ich könnte Sie einfach außer Gefecht setzen und
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