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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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im Esszimmer.»
    «Machen Sie das am Morgen», erwiderte Lombard kurz angebunden.
    «Ist mit Ihrer Frau alles in Ordnung?», erkundigte sich Armstrong.
    «Ich werde nach ihr schauen, Sir.»
    Kurz darauf kam er zurück. «Sie schläft, Sir. Ganz fest.»
    «Gut», sagte der Arzt. «Stören Sie sie nicht.»
    «Nein, Sir. Ich werde nur noch im Esszimmer nach dem Rechten sehen und sichergehen, dass alles abgeschlossen ist, dann komme ich auch.»
    Er lief durch die Eingangshalle zum Esszimmer.
    Die anderen gingen nach oben, eine langsame, unwillige Prozession.
    Wenn dies ein altes Haus gewesen wäre, mit knarrendem Holz und dunklen Schatten und mit schweren, holzvertäfelten Wänden, dann hätte es ein ungemütliches Gefühl aus lösen können. Aber dieses Haus war der Inbegriff der Moderne. Es gab keine dunklen Ecken, keine Wandverkleidungen, die zur Seite glitten, alles war von elektrischem Licht durchflutet, alles war neu und hell und glänzend. In diesem Haus war nichts versteckt, nichts verborgen. Es hatte keine Atmosphäre.
    Und doch war das das Furchterregendste überhaupt…
    Auf dem oberen Treppenabsatz tauschten sie gute Wünsche für die Nacht. Jeder ging in sein Zimmer, und jeder von ihnen verriegelte automatisch und fast ohne sich dessen bewusst zu werden die Tür…
     

III
     
    In seinem angenehm warm getönten Zimmer zog Richter Wargrave die Kleidung aus und machte sich für die Nacht fertig.
    Er dachte an Edward Seton.
    Er erinnerte sich sehr wohl an Seton. Seine Haare, seine blauen Augen, die Art, wie er ihm direkt ins Gesicht gesehen hatte, mit einem gewinnenden Ausdruck von Ehrlichkeit. Deshalb hatte er einen so guten Eindruck auf die Geschworenen gemacht.
    Llewellyn, der Staatsanwalt, hatte es so ziemlich vermasselt. Er war zu heftig gewesen, hatte versucht, zu viel zu beweisen.
    Matthews hingegen, der Verteidiger, war gut. Seine Punkte hatten gesessen. Seine Kreuzverhöre waren tödlich. Wie er seinen Mandanten im Zeugenstand vorgeführt hatte, war meisterhaft.
    Und Seton hatte die Feuerprobe des Kreuzverhörs gut überstanden. Er hatte sich nicht aufgeregt, nicht überreagiert. Die Geschworenen waren beeindruckt. Matthews hatte bestimmt gedacht, die Schlacht sei schon gewonnen.
    Der Richter zog seine Uhr sorgfältig auf und legte sie neben das Bett.
    Er wusste noch genau, wie er sich gefühlt hatte, als er damals dasaß – wie er zuhörte, Notizen machte, alles einordnete, jedes Beweisstück auflistete, das gegen den Gefangenen sprach.
    Er hatte den Fall genossen! Matthews’ Schlussplädoyer war erstklassig gewesen. Llewellyn, der nach ihm drankam, war es nicht gelungen, den guten Eindruck zu zerstören, den der Verteidiger hinterlassen hatte.
    Und dann war sein eigenes Plädoyer an der Reihe…
    Vorsichtig entfernte Richter Wargrave seine falschen Zähne und ließ sie in ein Wasserglas fallen. Die geschrumpften Lippen fielen zusammen. Jetzt sah der Mund grausam aus, grausam wie der eines Raubtiers.
    Der Richter schloss seine Augen und lächelte.
    Er hatte Seton so richtig weich gekocht.
    Mit einem leichten Grunzen wegen seines Rheumas kletterte er ins Bett und machte das Licht aus.
     

IV
     
    Unten im Esszimmer stand Rogers und rätselte.
    Er starrte auf die Porzellanfiguren in der Mitte des Tisches und murmelte:
    «Das ist ja komisch! Ich hätte schwören können, dass da zehn von ihnen standen.»
     

V
     
    General MacArthur wälzte sich von einer Seite auf die andere. Der Schlaf wollte nicht zu ihm kommen. In der Dunkelheit sah er wieder und wieder Arthur Richmonds Gesicht.
    Er hatte Arthur gemocht – er hatte ihn verdammt gern gehabt. Er war froh gewesen, dass Leslie ihn ebenfalls mochte.
    Leslie war so anspruchsvoll. Über die meisten Jungen rümpfte Leslie die Nase und fand, dass sie langweilig waren. «Langweilig!» Einfach so. Aber Arthur Richmond hatte sie nicht langweilig gefunden. Von Anfang an waren sie gut miteinander ausgekommen. Sie hatten zusammen über Theaterstücke geredet und über Musik und Filme. Sie hatte ihn aufgezogen, sich über ihn lustig gemacht, ihn auf den Arm genommen. Und er, MacArthur, war entzückt von dem Gedanken gewesen, dass Leslie ein mütterliches Interesse an dem Jungen hatte. Mütterlich! Er war ein Narr gewesen, nicht daran zu denken, dass Richmond achtundzwanzig war und Leslie neunundzwanzig.
    Er hatte Leslie geliebt. Jetzt sah er sie vor sich. Ihr herzförmiges Gesicht und ihre lachenden, tiefgrauen Augen, und die braun gelockte Fülle ihrer Haare.

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