Und dann gabs keines mehr
ging er weiter zu Philip Lombards Zimmer.
Hier kam sofort die Antwort auf sein Klopfen. «Wer ist da?»
«Ich bin’s, Blore. Ich glaube, Armstrong ist nicht in seinem Zimmer. Warten Sie einen Moment.»
Er ging zur letzten Tür am Ende des Gangs. Wieder klopfte er. «Miss Claythorne. Miss Claythorne.»
«Wer ist da? Was ist denn los?», antwortete Vera mit Angst in der Stimme.
«Alles in Ordnung, Miss Claythorne. Warten Sie einen Moment. Ich bin gleich wieder da.»
Er rannte wieder zu Lombards Zimmer. Die Tür ging auf. Lombard stand in der Tür, eine brennende Kerze in der linken Hand. Über den Schlafanzug hatte er seine Hosen angezogen. Seine rechte Hand steckte in der Schlafanzugjacke.
«Was zum Teufel ist hier los?», fragte er scharf.
Blore informierte ihn hastig. Lombards Augen glänzten.
«Armstrong! Also ist er unser Vogel!» Er ging zu Armstrongs Tür. «Tut mir Leid, Blore, aber ich glaube nur, was ich sehe.»
Er klopfte heftig gegen das Holz. «Armstrong – Armstrong!»
Es kam keine Antwort.
Lombard ging in die Knie und schielte durchs Schlüsselloch. Geschickt steckte er den kleinen Finger ins Schloss.
«Von innen steckt der Schlüssel nicht.»
«Also hat er von außen zugesperrt und den Schlüssel mitgenommen», vermutete Blore.
Philip nickte. «Er war vorsichtig! Blore, jetzt schnappen wir ihn uns… diesmal kriegen wir ihn! Warten Sie einen Moment.»
Er rannte zu Veras Zimmer. «Vera!»
«Ja.»
«Wir sind hinter Armstrong her. Er ist nicht in seinem Zimmer. Was auch immer Sie tun, öffnen Sie auf keinen Fall die Tür! Verstanden?»
«Ja, verstanden.»
«Wenn Armstrong kommt und sagt, ich wäre tot oder Blore, reagieren Sie nicht! Klar? Öffnen Sie Ihre Tür nur, wenn wir beide, Blore und ich, mit Ihnen reden. Kapiert?»
«Ja. Ich bin doch nicht lebensmüde», rief Vera zurück.
«Gut», sagte Lombard und lief zu Blore. «Und jetzt – ihm nach! Die Jagd ist eröffnet!»
«Wir sollten vorsichtig sein», mahnte Blore. «Er hat einen Revolver. Denken Sie daran.»
Philip Lombard kicherte, als er die Treppe hinunterrannte. «In diesem Punkt irren Sie sich.» Er öffnete die Eingangstür. «Das Schnappschloss ist zurückgeschoben – damit er leicht wieder hereinkann.»
«Ich habe den Revolver!» Lombard zog ihn halb aus seiner Tasche. «Hab ihn heute Nacht wieder in meiner Schublade gefunden.»
Blore erstarrte und blieb auf der Türschwelle stehen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Philip Lombard bemerkte es.
«Seien Sie kein Dummkopf, Blore! Ich werde Sie nicht erschießen! Gehen Sie von mir aus wieder rein und verbarrikadieren Sie sich! Ich suche Armstrong.»
Damit rannte er hinaus ins Mondlicht. Blore zögerte kurz, dann folgte er ihm.
«Ich muss verrückt geworden sein», sagte er sich. «Na, wenn schon…»
Er legte sich heute ja nicht zum ersten Mal mit bewaffneten Verbrechern an. Was ihm auch sonst fehlen mochte, an Mut fehlte es ihm jedenfalls nicht. Gefahr bekannt, Gefahr gebannt, war sein Motto. Im Freien hatte er keine Angst. Es machte ihm nur Angst, wenn die Gefahr schwer zu durchschauen und von übersinnlichem Hokuspokus begleitet war.
VI
Vera, zum Warten auf die Klärung der Lage verurteilt, stand auf und zog sich an.
Zwischendurch schielte sie immer wieder nach der Tür. Eine solide gearbeitete, stabile Tür. Vera hatte sie nicht nur verriegelt und abgeschlossen, sondern zusätzlich noch einen Eichenstuhl unter der Klinke verkeilt.
Mit Gewalt ließ sie sich nicht öffnen, und schon gar nicht von Dr. Armstrong. Er war kein körperlich starker Mann.
Wäre sie Armstrong und plante einen Mord, dann würde sie List anwenden und nicht Gewalt.
Sie vertrieb sich die Zeit, indem sie sich die Tricks ausmalte, die er anwenden könnte.
Er könnte zum Beispiel – wie Philip vermutet hatte – behaupten, einer der beiden Männer sei tot. Oder er könnte vortäuschen, er selbst sei tödlich verletzt worden, und sich stöhnend und mit letzter Kraft bis zu ihrer Zimmertür schleppen.
Es gab noch andere Möglichkeiten. Er könnte behaupten, das Haus stünde in Flammen. Er könnte es sogar selbst anzünden… Ja, das wäre eine Möglichkeit. Erst lockt er die beiden Männer aus dem Haus, dann setzt er eine Benzinspur in Brand, die er vorher selbst gelegt hat, und sie, Vera, würde wie eine Idiotin in ihrem Zimmer verbarrikadiert sitzen bleiben, bis es zu spät war.
Sie lief zum Fenster hinüber. Nicht schlecht. Im Notfall könnte man durch das
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