Und dann gabs keines mehr
Als ob ein grausames Kind sein Spiel treibt. Es muss alles zusammenpassen.»
«Ich muss Ihnen Recht geben», sagte Blore.
Eine Minute lang dachte er nach.
«Jedenfalls gibt’s auf der Insel keinen Zoo. Das macht ihm bestimmt schwer zu schaffen.»
«Aber das ist es doch», brach es aus Vera heraus. «Wir sind sein Zoo… Heute Nacht waren wir doch schon fast keine Menschen mehr! Der Zoo sind wir…»
II
Sie verbrachten den Vormittag auf den Klippen und blinkten abwechselnd mit einem Spiegel zum Festland hinüber.
Nichts deutete darauf hin, dass jemand sie sah. Kein Signal antwortete ihnen. Der Tag war schön, leicht dunstig. Unter ihnen wogte das Meer mit gewaltigen Brechern. Es waren keine Boote zu sehen.
Sie hatten noch einmal vergeblich die Insel durchsucht. Von dem vermissten Arzt fand sich keine Spur.
Vera schaute von dort, wo sie standen, hinauf zum Haus. Ihre Stimme klang gepresst, als sie sagte:
«Man fühlt sich einfach sicherer, draußen im Freien… Wir sollten nicht wieder ins Haus zurückgehen.»
«Keine schlechte Idee», sagte Lombard. «Hier sind wir ziemlich sicher. Niemand kann sich an uns heranmachen, ohne dass wir ihn nicht schon von weitem sehen.»
«Wir bleiben hier», entschied Vera.
«Irgendwo müssen wir die Nacht verbringen», gab Blore zu bedenken. «Dazu müssen wir wieder ins Haus zurück.»
Vera schauderte. «Ich halte das nicht aus. Noch eine Nacht da drin stehe ich nicht durch.»
«Sie sind doch völlig sicher», beruhigte Philip sie. «Eingeschlossen in Ihrem Zimmer.»
«Vermutlich», murmelte Vera. Sie streckte die Hände aus.
«Es tut so gut, die Sonne wieder zu spüren…»
Im Stillen dachte sie: «Wie seltsam… ich bin fast glücklich. Und doch weiß ich, dass mein Leben in Gefahr ist… Irgendwie scheint nichts mehr wichtig… nicht bei Tageslicht… meine Kraft – ich fühle, dass ich nicht sterben kann!»
Blore sah auf seine Armbanduhr. «Zwei Uhr jetzt. Wie wär’s mit Essen?»
«Ich gehe nicht ins Haus zurück», sagte Vera störrisch. «Ich bleibe hier – im Freien.»
«Aber, aber, Miss Claythorne. Sie müssen doch bei Kräften bleiben!»
«Wenn ich noch ein einziges Mal Zunge aus der Dose sehe, wird mir schlecht! Ich will überhaupt nichts essen. Man kann tagelang ohne Essen auskommen, wenn man auf Diät ist.»
«Also, ich brauche meine geregelten Mahlzeiten. Was ist mit Ihnen, Mr. Lombard?»
«Die Aussicht auf Zunge aus der Dose reizt mich nicht besonders. Ich bleibe hier, bei Miss Claythorne.»
Blore zögerte.
«Sie können mich ruhig allein lassen», sagte Vera zu Blore. «Er wird mich schon nicht erschießen, sobald Sie mir den Rücken zukehren, wenn es das ist, was Sie fürchten.»
«Na schön, wenn Sie meinen… », gab Blore sich geschlagen. «Aber wir hatten abgemacht, dass wir uns nicht trennen sollten.»
«Sie sind derjenige, der sich in die Höhle des Löwen wagen will. Ich komme mit Ihnen, wenn Sie möchten.»
«Auf keinen Fall», sagte Blore. «Sie bleiben hier!»
Philip lachte.
«Sie haben also immer noch Angst vor mir? Wissen Sie nicht, dass ich Sie beide jetzt in diesem Augenblick erschießen könnte, wenn ich wollte.»
«Stimmt», gab Blore zu. «Ist aber nicht nach Plan. Einer nach dem anderen – so muss das laufen – und es muss auf eine bestimmte Art durchgezogen werden.»
«Sie scheinen ja bestens informiert zu sein», sagte Lombard.
«Wird einem schon mulmig», gestand Blore. «Wenn man ganz allein zum Haus gehen soll.»
«Jetzt fragen Sie mich bestimmt gleich, wollen Sie mir nicht Ihren Revolver leihen?», sagte Philip sanft. «Meine Antwort ist nein, ich will nicht! Ganz so einfach liegt der Fall nämlich nicht.»
Blore zuckte die Schultern und machte sich auf den steilen Weg hinauf zum Haus.
Lombard sagte leise: «Fütterung der Raubtiere im Zoo! Die Viecher haben ihre festen Gewohnheiten!»
«Ist das nicht riskant, was er da macht?», fragte Vera ängstlich.
«Ich glaube nicht. Nicht so, wie Sie meinen. Armstrong ist nicht bewaffnet, und Blore ist ihm körperlich um ein Vielfaches überlegen. Und er ist auf der Hut. Außerdem ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Armstrong sich im Haus versteckt. Ich weiß einfach, dass er nicht dort ist.»
«Aber – welche andere Lösung gibt es?»
Philip sagte mit leiser Stimme: «Es gibt Blore.»
«Oh – aber glauben Sie wirklich –?»
«Hören Sie, Vera. Sie haben Blores Geschichte gehört. Wenn sie stimmt, müssen Sie zugeben, dass ich mit Armstrongs
Weitere Kostenlose Bücher