Und dann kam Paulette (German Edition)
Entbindungsstation gemacht … Tja, dann müsstest du sie eigentlich kennen. Sie hat einen dunklen Teint, ist etwas rundlich – na ja, ein bisschen so wie du –, sie trägt eine Brille und ist Legasthenikerin … Das sagt mir nichts … Ich mach sie gern mit dir bekannt, du wirst sehen, sie ist voll cool … Das trifft sich gut, ich habe jede Menge Fragen zu meinem Praktikumsbericht …
Dann gingen sie zu anderen Dingen über. Das Thema Jungs war schnell erledigt: Suzanne sah zur Decke und hielt die Klappe, Muriel hielt die Klappe und sah zu Boden. Die Botschaft war deutlich, über dieses Thema brauchten sie sich nicht weiter auszulassen, also wechselten sie zu anderen Themen: Musik, Kino, Reisen, die sie einmal unternehmen wollten, und ihre ganz persönlichen Träume. Sie wurden Freundinnen in dem Sinne, dass sie sich alles erzählen konnten. Suzanne sprach auch Muriels Gewicht an. Muriel war nicht beleidigt. Im Gegenteil, sie hatte sogar das Bedürfnis, darüber zu reden. Sie gab zu, dass sie seit Monaten ständig Hunger hatte – wie durch Zufall hatte alles mit dem Winter begonnen: als wollte sie sich eine Fettschicht gegen die Kälte zulegen. Aber damit war jetzt Schluss, sie hatte beschlossen, eine Diät zu machen und ihre Bauchmuskeln zu trainieren, sonst könnte sie im Sommer den Badeanzug abhaken! Aber auch wenn sie das jetzt sagte, war es ihr im Grunde reichlich egal. Zum einen würde sie in den Ferien bestimmt nicht ans Meer fahren, dafür hatte sie kein Geld. Zum anderen war das Schwimmbad nicht ihr Ding. Sie war Stier. Und es ist kein Geheimnis, dass Stiere Wasser hassen. Hierin konnte Suzanne ihr jedoch nicht beipflichten. Sie hatte nämlich erst kürzlich irgendwo gelesen, dass Stiere entgegen der landläufigen Meinung durchaus …
Als der Wecker klingelte, warteten mehrere Überraschungen auf Kim. Erstens lag er allein im Bett, zweitens schnatterten die Mädchen unten eifrig miteinander wie alte Freundinnen, und schließlich kriegte er mit, dass Lollita vier Junge bekommen hatte.
Erst als sie am Nachmittag aus der Schule kamen, erfuhren er und Muriel von Hortenses Tod.
Es nahm sie sehr mit. Vor allem Muriel. Sie beschloss, gleich in das Totenzimmer zu gehen und sich von Hortense zu verabschieden. Vielleicht würde Simone sich darüber freuen. Nur für sich hätte sie es nicht getan, vor Toten hat sie Respekt. Aber sie blieb nicht lange, ihr wurde schwindlig, und um ein Haar wäre sie ohnmächtig geworden. Guy und Ferdinand führten sie zum Kanapee, damit sie sich einen Moment hinlegen konnte. Als sie wieder aufstand, fühlte sie sich besser, trotzdem ging sie, ohne etwas zu essen, direkt ins Bett. Das Ganze hatte ihr auf den Magen geschlagen.
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Wie zu erwarten war …
… verlor Simone kurz nach Hortenses Tod das Interesse an ihrer Umgebung. Aber Guy war wachsam. Er erkannte sofort die ersten trügerischen Anzeichen. Sie ging von Tag zu Tag früher ins Bett, schlief morgens zunehmend länger, vernachlässigte ihre Haare, setzte sich nur noch selten nach dem Abendessen zu den anderen auf die Bank, wohingegen sie tagsüber stundenlang allein dort sitzen konnte, ohne sich zu rühren, ohne etwas zu machen, sie betrachtete nur den Himmel und die Wolken. Doch sobald sich jemand näherte, stand sie auf und ging weg, behauptete, sie müsse dringend etwas erledigen. Das Schlimmste aber war, dass sie keinerlei Appetit mehr hatte. Das war für sie sehr ungewöhnlich, normalerweise war sie ein wahres Leckermäulchen. Nur dass bei ihr zurzeit nichts normal war. Ihre zweite Hälfte, ihre Schwägerin Lumière, war entschlafen, sie wusste nicht, was tun, an wen sie sich klammern sollte und ob sie überhaupt noch zu irgendetwas Lust hatte. Wenn man sie etwas fragte, hielt sie mitten im Satz inne, zuckte mit den Schultern und murmelte Das spielt ja doch keine Rolle mehr. Guy hatte diese Phase vor nicht allzu langer Zeit selbst durchlaufen, er wusste Bescheid. Darum versuchte er zu verhindern, dass sie abglitt. Keine leichte Aufgabe, Simone war noch starrsinniger als er. Und weitaus älter. Die Sache war verdammt knifflig …
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Yvons Hof
Ferdinand klopft bei Isabelle an die Tür. Er bringt die Lulus nach dem Wochenende zurück. Doch nicht sie macht die Tür auf, sondern Alain, der Sohn von Yvon. Die Kinder fallen ihm um den Hals. Ferdinand wundert sich, ihn hier zu sehen, kneift ihm in die Wange und sagt, du bist ja ganz schön groß geworden
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