Und dann kam Paulette (German Edition)
Muriel gehörte, wurde sie böse. Ehrlich gesagt, fand sie es ziemlich daneben, dass Muriel ihr nichts davon gesagt hatte! Dass ich aber auch nichts gesehen habe, ich bin ja bis auf die Knochen blamiert! … Aber Marceline erklärte ihr die Situation, und Simone begriff sofort. Einmal hatten sie und Hortense im Fernsehen einen Film gesehen, in dem es genau darum ging. Das hatte sie so berührt, dass sie sich sogar an den entsprechenden Fachbegriff erinnerte. Dann hatte das arme Ding also auch eine negierte Schwangerschaft gehabt? Marceline nickte. Nun gut. Und jetzt, was würden sie jetzt machen? Auf diese Frage wusste Marceline keine Antwort. Erst einmal hatte das Baby Hunger, und es gab noch allerhand zu tun. Nachdem Simone es sich auf dem Sessel bequem gemacht hatte, reichte Marceline ihr das Fläschchen und ließ sie damit allein. Simone fütterte das Kind und drückte es an sich, damit es sein Bäuerchen machen konnte. Es war in ein T-Shirt aus 100 Prozent Baumwolle gewickelt – darauf legte Kim großen Wert – und mit einem bunten Schal zugedeckt, einem unvollendeten Werk der guten Hortense. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass Simone so ein kleines Kind im Arm hielt, dass sie es aus nächster Nähe betrachten und ganz leise mit ihm reden konnte, ohne Zeugen … Du bist ja ein hübsches Mädchen … und so grazil … o ja, das bist du, durch und durch grazil, du süßes Ding … ach, und seht nur diese winzigen Händchen … so zierlich sind die … mit ihren langen dünnen Fingerchen … und diese Füßchen, wie ist das möglich? So kleine Füßchen und so perfekt, so niedlich, wie ist das möglich, kleines Prinzesschen … Das kleine Prinzesschen wog sicher weniger als drei Kilo. Es war nicht sehr kräftig. Trotzdem hatte Simone nach knapp einer Stunde steife Arme. Doch sie beschwerte sich nicht, sie hielt durch, rührte sich nicht von der Stelle, bat niemanden um Hilfe. Sie hatte zu große Angst, den kleinen Engel zu wecken. Vielleicht auch den Zauber zu zerstören …
Kim sah im Internet nach. Die Apotheke, die heute Bereitschaftsdienst hatte, machte um acht Uhr auf. Viertel vor stieg Marceline in Ferdinands Wagen. Das Köfferchen mit Pröbchen, die Marie ihnen in der Nacht dagelassen hatte, hatte ihnen gute Dienste geleistet, aber es würde nicht mehr lange vorhalten. Sie bräuchten: Babymilch für die ganz Kleinen, Sauger für das Fläschchen, Windeln für Neugeborene, Monatsbinden, isotonische Kochsalzlösung …
In seiner Werkstatt hatte Guy sich an die Arbeit gemacht: Er wollte eine mobile Wiege bauen. Ein Bett, das man bequem durchs ganze Haus tragen konnte und das nicht umfiel. Das war am wichtigsten. Nachdem er in der Scheune einen alten Buggy gefunden und auseinandergebaut hatte, behielt er das Fahrgestell und die Räder und beschloss, den Weidenkorb aus der Waschküche daraufzusetzen. Ferdinand war darüber nicht sehr glücklich, er brauchte den Korb doch, um die gewaschene Wäsche zu transportieren! Ja, aber das Bett hatte Vorrang! Okay, okay. Ferdinand nahm eine Gemüsekiste, das kam mehr oder weniger aufs Gleiche heraus. Seine Aufgabe heute Morgen war es, für das Kind etwas zum Anziehen aufzutreiben. Er war schon auf dem Speicher gewesen und hatte den Karton mit den Babykleidern heruntergeholt, die von Ludovic und Lucien stammten. Ein Karton voller Erinnerungen. Für später. Wenn sie einmal erwachsen wären. Isabelle hatte bei ihrem Auszug alles dort verstaut. Er hatte die Babyklamotten nach unten getragen und sie in die Waschmaschine gesteckt. Nachdem die erste Maschine fertig war, hatte er die Sachen vor dem Ofen aufgehängt, damit sie schnell trockneten: die winzigen Pyjamas, die süßen kleinen Babyjäckchen, das goldige Mützchen, die Puppensöckchen …
Bald würden sie das Baby anziehen und in eine Wiege legen können. Vorausgesetzt, Guy fand noch eine bessere Lösung, um den Weidenkorb an dem Fahrgestell zu befestigen. Noch war die Konstruktion zu wackelig, nicht stabil genug, meinte Ferdinand. Er bot an, Guy zu helfen, doch Guy rastete aus und schickte ihn weg. Ferdinand zog grummelnd davon, Guy war wirklich ein Hitzkopf. Alle waren momentan ein wenig gereizt. Kein Wunder, sie hatten zu wenig geschlafen. Vielleicht schlug ihnen aber auch der Vollmond aufs Gemüt …
Im anderen Flügel.
Gegen neun machte Kim für Muriel Frühstück. Sie hatte keinen Hunger, wollte aber aufstehen. Er bot ihr an, sie auf dem Weg zum Badezimmer zu stützen, doch sie schlug
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