Und dann kam Paulette (German Edition)
seit dem letzten Mal, dann klopft er ihm auf den Rücken. Der Junge ist ziemlich gehemmt, er bittet Ferdinand herein. Sie nehmen gerade mit seinem Vater den Aperitif ein, ob er nicht dazukommen und ihnen Gesellschaft leisten will. Das trifft sich gut, Ferdinand hatte ohnehin vorgehabt, Yvon zu besuchen, um ihn etwas zu fragen, das können sie jetzt besprechen. Doch bevor er den Einstieg findet, kommt Yvon auf seine persönlichen Pläne zu sprechen. Er erzählt von seinem Sohn. Der Junge hat beschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen als er. So ist das Leben. Na ja, er ist im Bäckerhandwerk gelandet. Eigentlich ganz logisch: Der Vater sorgt für das Getreide, der Sohn für das Brot. Nur dass sich Yvon allein jetzt schwertut. Seine Hüfte macht nicht mehr mit, irgendwann muss er deswegen unters Messer. Ferdinand mimt den Fachmann, beruhigt ihn, die OP ist eine Kleinigkeit. Er selbst konnte wenige Wochen danach mit seiner künstlichen Hüfte wieder springen wie ein junger Hund. Wie ausgewechselt war er. Gut, meint Yvon, doch solange er noch auf den Traktor kommt, verschiebt er das Ganze lieber auf später. Eins ist in jedem Fall entschieden: Er will seinen Ruhestand antreten. Nicht jetzt sofort, ist schon klar, aber doch in ein, zwei Jahren. In der Zwischenzeit sucht er einen Lehrling, der ihm hilft. Wenn es dem Jungen zugleich helfen könnte, Tritt zu fassen, umso besser. Vor allem, da er überlegt, ihm für den Fall, dass es gut läuft, den Hof und seine Ländereien zu überschreiben, wenn er geht, das wäre eine gute Lösung für alle. Ferdinand ist sprachlos. Er erzählt ihm von Kim, einem sehr netten zupackenden Jungen. Yvon fällt ihm ins Wort. Er hat ihn schon kennengelernt, und an ihn hätte er auch gleich gedacht. Aber der will ja nur Öko machen! Und er hat ja auch Recht, das ist die Zukunft. Ferdinand kommt aus dem Staunen nicht heraus. Yvon gibt zu, dass er nicht mehr die Kraft hat, sich auf etwas Neues einzulassen, dass das aber kein Grund ist, den jungen Burschen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ferdinand fragt sich, ob er vielleicht scherzt, der alte Yvon. Dabei hat er nicht mehr getrunken als sonst. Er meint es ernst. Sein Sohn nickt, pflichtet ihm bei. Desgleichen Isabelle, sodass er, der die Absicht hatte, ihn um einen Gefallen zu bitten, weil er einen der Äcker, die er an ihn verpachtet hat, zurückhaben möchte, damit Kim ihn bestellen kann, nichts mehr zu sagen braucht. Yvon hat ein echt gutes Angebot für den Jungen … Tja.
[zur Inhaltsübersicht]
67
Vollmond am Samstagabend
Ferdinand und Marceline sitzen nebeneinander auf der Bank und zählen die Sterne. Sie versuchen es vielmehr. Dabei ist es unmöglich, es sind zu viele! Die Luft ist frisch, Marceline rückt näher an Ferdinand heran. Er schließt die Augen, glücklich und verschüchtert zugleich. Eine Viertelstunde später legt sie den Kopf auf seine Schulter. Es ist das erste Mal. Ihn durchfährt ein wohliges Gefühl. Sie auch. Sie rühren sich nicht mehr, atmen kaum. Aber weiter kommen sie nicht. Denn Kim reißt, nur mit einer Unterhose bekleidet, die Tür zu ihrem Flügel auf – erschreckt fahren sie zusammen – und stürmt aufgelöst auf sie zu.
«Muriel hat sich im Badezimmer eingeschlossen, ich glaube, sie ist krank, sie weint seit einer Stunde!»
Sie rennen los.
Marceline spricht durch die Tür.
«Was ist los, Muriel? Geht’s dir nicht gut?»
«Ich habe Schmerzen …»
«Mach die Tür auf.»
«Ich kann nicht …»
«Versuch es, bitte.»
«Ich kann mich nicht bewegen, mein Rücken tut so weh …»
Kim schiebt ein Messer durch den Schlitz zwischen Tür und Zarge und schafft es, den Haken zu öffnen. Er stößt die Tür auf. Muriel kauert in der Duschwanne. Marceline geht in die Hocke, nimmt sie in den Arm, wiegt sie, fragt, wo sie Schmerzen hat. Fiebrig packt Muriel ihre Hand, legt sie auf ihren Bauch. Er ist steinhart. Marceline zuckt zurück. Muriel reagiert panisch.
«Ich sterbe, stimmt’s?»
«Nein, du stirbst nicht, natürlich nicht. Ich verstehe nur nicht … Warum hast du es uns nicht erzählt?»
«Was erzählt, Marceline? Was erzählt?»
Eine neuerliche Kontraktion bringt sie zum Stöhnen, sie wird immer lauter, am Ende schreit sie. Marceline nimmt sie in den Arm. Mach dir keine Sorgen, Liebes … alles wird gut … wir rufen eine Hebamme und einen Arzt, die werden dir helfen … Muriel dreht sich wie betäubt zu ihr um. Ihr Blick strahlt einzig und allein Ungläubigkeit aus. Und Marceline
Weitere Kostenlose Bücher