Und dann kam Ute (German Edition)
Als Erstes verpasste ich ihm eine schnelle Links-rechts-Kombination. Dann machte ich ihn mit zwanzig punktgenauen Jabs auf immer die gleiche Stelle mürbe. Ich shuffelte wie eine Mischung aus Muhammad Ali, James Brown und Fred Astaire vor ihm her. Ich sammelte mich, fokussierte meine ganze brachiale Gewalt in die linke Faust. Dann verpasste ich ihm den finalen Knockout mitten in seine ledrige Fresse.
Im Rausch der Siegesemotionen tippte mir plötzlich jemand auf die Schulter. Ich drehte mich um und sah in die hasserfüllte Fratze vom stiernackigen Kassenwart: «Du hast mich reingelegt mit der Kohle.»
Ich musterte die tumbe Nuss mit Verachtung.
«Oh Mann, du bist ja echt ein Blitzmerker.»
«Was hast du gesagt, du Pinscher?»
Er sprach tatsächlich genauso blöd, wie er aussah.
«Heul doch, du Genie. Was willste denn jetzt machen? Deine Mami anrufen?»
«Ey Alter, ich schaff dich ab, du Penner.» Jetzt guckte der Heiopei blöd und böse. Ich blieb völlig cool. Kälter als eiskalt warnte ich ihn ein letztes Mal.
«Dann versuch’s doch mal, du Lappen.»
Blitzschnell fing ich an zu tänzeln. Flieg wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene. Da war sie, meine ersehnte Schweinehälfte. Ich war wie im Rausch. Dieser arme Tropf wusste doch gar nicht, mit wem er sich hier angelegt hatte! Ich war einfach zu schnell und zu hart für Dumpfbacke, und das würde er gnadenlos zu spüren bekommen. Bang!
Als ich wieder aufwachte, lag ich neben meinem Porsche auf dem Bürgersteig und blickte in das besorgte Gesicht einer älteren Frau: «Geht es Ihnen gut? Soll ich einen Arzt rufen?»
Ich rappelte mich auf: «Nee, nee, alles gut. Ich hab mich nur beim Sport verausgabt.»
Im Auto sortierte ich meine Knochen. Die Brieftasche war leer. Meine afrikanische Rolex hatte wohl den Besitzer gewechselt, die Alpina-Brille war total verbogen, und mein linkes Auge war blau und zugeschwollen. Im Schritttempo rollte ich nach Hause. Mein Gott! Ich war schockiert über so viel Gewalt und Brutalität. Aber was soll man auch von Leuten erwarten, deren einziger Sinn im Leben darin besteht, ihren Körper zu trainieren und Muskel- statt Gehirnmasse aufzubauen! In dem ganzen Laden hatte ich nicht ein einziges Buch gesehen. Das kommt dabei raus, wenn eine Gesellschaft nur noch das Körperliche in den Vordergrund stellt. Klitschko statt Goethe. BMI statt IQ. Laktat statt Diktat. Mens sana in campari soda, ja nee, is’ klar. Aber nicht mit mir.
Mein Gott, mir tat alles weh, als ich versuchte, aus diesem entsetzlich tiefen Sportwagen zu steigen. Mühsam schloss ich die schwere Haustür auf und schleppte mich ins schützende Dunkel des alten Treppenhauses. Plötzlich ging Utes Tür auf, das Licht ging an, und ich schaute in das entsetzte Gesicht meiner lieben Freundin: «Um Himmels willen, Atze! Wie siehst du denn aus? Was ist passiert?»
Ich stöhnte: «Es waren vier oder fünf. Genau weiß ich es nicht mehr. Ich wollte nur joggen gehen, da hab ich gesehen, wie so ein paar Grobiane ein kleines Kätzchen im Bach ersäufen wollten. Erst dachte ich mir: Komm, lauf weiter, das geht dich nichts an. Du willst ja nur joggen. Aber du kennst mich. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wenn Tiere gequält werden. Da geht was kaputt in mir. Da hab ich mir die Brüder gepackt, und ich kann dir versichern: Die Schweine quälen keine Kätzchen mehr. Was von denen noch übrig ist, picken gerade die Vögel auf.»
Außer sich vor Sorge rief sie: «Du blutest ja. Du Armer! Du kommst jetzt sofort zu mir ins Wohnzimmer, damit ich in Ruhe deine Wunden versorgen kann.»
«Ute, bitte nicht. Ich will nicht, dass der Junge mich so sieht. Es ist doch nur ein Kratzer.»
«Mach dir keine Gedanken, der ist gar nicht da. Es ist Freitag, da schläft der doch immer bei meiner Mutter.»
Resolut packte sie mich am Arm und verfrachtete mich auf ihr Sofa.
«Ach Atze, ich hatte schon den ganzen Nachmittag so ein ungutes Gefühl, weil ich dich nicht erreicht habe und dein Auto nicht vor der Tür stand. Jetzt verarzte ich dich erst mal, und dann mache ich uns was Schönes zu essen. Keine Widerrede mehr.»
Sie ging ins Badezimmer und holte Jod, Tücher und Eis, um mein geschwollenes Auge zu kühlen. Vorsichtig, ja beinahe zärtlich tupfte sie mein malades Auge ab. Ich beschloss, eine Schüppe draufzulegen, und stöhnte noch intensiver. Nicht ohne Erfolg.
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19.
Kann denn Liebe Sünde sein?
V orsichtig tupfte sie mit der Watte das Blut von meinem Auge. Ich
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