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Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atze Schröder
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Hier gehörte ich nicht hin, bei aller Liebe! Und überhaupt – bei aller Liebe? War das überhaupt Liebe, oder waren wir einfach nur ein bisschen geil gewesen? Von wegen Liebe, nix als Triebe. Ich könnte mich ohrfeigen. Verdammt noch mal, wieso hatte ich nicht die Finger von ihr gelassen? Warum habe ich sie nicht einfach von meinem Schoß geschoben? Ich hätte doch Vanessa anrufen können. Hat doch bis jetzt auch immer gut geklappt, und zwar auch ohne Abitur. Aber nein, ich musste ja unbedingt eine alleinerziehende Waldorftante für die Galerie flachlegen.
    «Sag mal, stör ich dich gerade bei irgendetwas? Ist was nicht richtig? Tut es dir leid?»
    Sie schien den Braten zu riechen. Ich sah ihren irritierten Blick und fühlte mich auf einmal nur noch schlecht.
    «Was? Nein, wie kommst du denn darauf? Nee, das war doch mal ’ne richtig gute Idee von dir!» Ich zwinkerte ihr bemüht ironisch zu. «Aber sei mir nicht böse – mir tut alles weh. Ich glaub, ich leg mich mal besser oben hin und ruh mich erst mal richtig aus.»
    «Ja, ist schon klar, ne, verstehe ich auch. Äh, was … was meinst du denn … sollen wir morgen mal …?» Ihre Stimme klang ganz unsicher und fragend.
    Wie ferngesteuert hörte ich mich sagen: «Du, morgen ist ganz schlecht, ich bin total im Vollstress. Ich meld mich mal zwischendurch.»
    Hastig zog ich mir die Jogginghose an, klemmte mir Pulli und Socken unter den Arm und drückte sie unbeholfen. Ich vermied bewusst jeglichen Augenkontakt und verschwand ins Treppenhaus. Schwer fiel die Tür ins Schloss. Ich lehnte mich an die Flurwand und schämte mich. Dann schlich ich wie ein geprügelter Hund in meine Wohnung. Die afrikanische Vase mit der Voodoofratze musste als Erstes dran glauben. Voller Wut trat ich das unschuldige Teil in tausend Scherben. Ich machte Musik an, «Ride On» von AC/DC. Bon Scott gab alles und nölte seine totale Einsamkeit durch die Boxen: I’m just another empty head … tja, Bon, da war guter Rat teuer. Was hätte er an meiner Stelle getan? Wahrscheinlich ’ne weitere Pulle Whisky ge-ext und die Braut noch mal durchgeorgelt.
    Keine wirkliche Option. Genau das hat ihn wahrscheinlich am Ende Kopf und Kragen gekostet. Ich schmiss mich aufs Bett und drehte die Musik wieder ab. Auch keine gute Idee, denn nun hörte ich lautstark Rio Reiser aus Utes Wohnung jammern: «Es ist vorbei, bye-bye, Junimond, es ist vorbei, bye-bye.»
    Mit diesem musikalischen Genickschlag entschwand ich ins Reich der Träume. Ich schlief traumlos wie ein Toter.
    Als ich aufwachte, schoss mir eine Idee durch den dicken Kopf. Die Sache schien plötzlich ganz klar. Hastig zog ich mich an, putzte die Zähne und stürmte zu Ute nach unten. Was für ein Zufall! Sie kam gerade vom Einkaufen zurück und blickte mich erstaunt an. Ich packte die Gelegenheit gleich beim Schopfe. «Ute, sollen wir uns nicht mal bei einer guten Tasse Bohnenkaffee über gestern Abend unterhalten?»
    Sie nickte zögernd und schloss die Tür auf.
    «Da bin ich aber gespannt, was du mir nach deinem überstürzten Abgang zu sagen hast.»
    Eine Viertelstunde später saßen wir mit einer dampfenden Tasse Kaffee am Küchentisch. Sie lächelte schmallippig.
    «Dann lass mal hören, wie du das alles so siehst.»
    «Ute, die Sache ist doch ganz einfach: Ich war geil, du warst geil …»
    Patsch, schon hatte ich eine Ohrfeige hängen! Immerhin hatte sie auf meine gesunde Gesichtshälfte geschlagen. Trotzdem: Man schlägt keine verwundeten Männer! Schon mal was von der Genfer Konvention gehört?
    Utes Stimme klang eisig: «Pass auf, Schröder, du hast exakt eine halbe Stunde Zeit. Dann kommt meine Mutter mit Philipp wieder. Ich rate dir, mir keine deiner üblichen Kätzchenrettergeschichten aufzutischen. Also noch mal: Was hast du mir zu sagen?»
    In meinem Hirn war plötzlich nur noch Leere. Mir ging der Stift, weil ich einfach nicht wusste, was ich sagen sollte.
    «Okay, dann sag ich es dir. Pass auf: Ich war geil, du warst geil – und ich bereue nichts. Aber wage es nie, nie wieder, so respektlos mit mir umzugehen. Verstanden?»
    Ich nickte verlegen.
    «Sich einfach feige vom Acker zu machen, das habe ich nicht verdient, Herr Schröder. Wir sind jetzt so lange befreundet, wir sollten weiterhin gut miteinander umgehen. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen gestern. Ich weiß, dass deine Welt und meine Welt nicht gerade kompatibel sind, aber wir sollten nicht auf unsere Freundschaft verzichten. Es sei denn, du bestehst darauf.

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