Und dann kusste er mich
dann Bescheid?«
»Klar. Ich ruf dich nachher nochmal an.«
Sobald ich das Gespräch beendet hatte, fragte Mick besorgt: »Alles okay?«
»Nein, leider nicht. Meiner Band wurde gerade der größte Gig aller Zeiten abgesagt, und ich weiß nicht, warum.«
»Doch nicht etwa der Gig für diesen Millionär?« Micks Fähigkeit, sich an jedes winzige Detail einer Unterhaltung erinnern zu können, erstaunte mich immer wieder.
»Doch.«
»Mist! Du bist sicher total enttäuscht.«
»Nicht nur ich – wir alle.« Resigniert die Achseln zuckend, wandte ich mich wieder dem Bildschirm zu. Ich war am Boden zerstört. Jetzt einen Werbesong über ein Deodorant zu verfassen, kam mir plötzlich vor wie eine Art Trostpreis.
Dieser Donnerstag war einer der deprimierendsten Tage, die ich seit langem erlebt hatte. Und es wurde nicht besser dadurch, dass ich mich den ganzen Tag über mit dem Werbeleiter einer Agentur herumstreiten musste, der von einem Kunden als Hilfe angefordert worden war, um dessen Radiokampagne »aufzupeppen«. Mit anderen Worten: Er mischte sich in jede Entscheidung ein, ohne selbst irgendeinen kreativen Beitrag zu leisten. Es hätte mir nicht so viel ausgemacht, wenn es sich bei besagtem sehr bekanntem Produkt nicht um einen Ohrenschmalzweichmacher gehandelt hätte.
Zu allem Übel mischte sich dann auch noch meine Chefin Amanda in die Diskussion zwischen mir und dem Werbefuzzi ein. »Was Romily auf ihre Weise zu sagen versucht – nicht sehr gut, zugegebenermaßen – ist, dass das Konzept, das Sie vorgeschlagen haben, unmöglich in einem Dreißig-Sekunden-Spot zu realisieren ist. Und wenn der gesamte Werbespot im Stil von Sigur Rós gesungen werden soll, wird Ihre Botschaft an unseren Hörern total vorbeigehen, weil die meisten die isländische Sprache einfach nicht verstehen.«
Klasse! Als wäre die Luft in der Fledermaushöhle nicht ohnehin schon zum Schneiden dick.
»Vielleicht schaffen wir ja einen Kompromiss«, schlug ich vor. »Wir könnten etwas im Arthouse-Stil komponieren und es als Untermalung für Ihren Text benutzen – auf Englisch natürlich. Würde das Ihren Vorstellungen entsprechen?«
Einen Moment lang glaubte ich ernsthaft, der Wer beleiter wäre beeindruckt. Doch ich hatte mich zu früh gefreut.
»Es bleibt so, wie es die Agentur konzipiert hat«, knurr te er, »andernfalls ziehen wir die Kampagne zurück.«
Amandas Miene sagte alles, als sie aus dem Studio rauschte.
Stöhnend legte ich den Kopf auf den Schreibtisch, während Mick ein paar deftige Flüche ausstieß.
Eigentlich hätte der Gedanke tröstlich sein müssen, nach einem so harten Tag meine Freunde zu sehen, doch in Anbetracht des bleiernen Schweigens, das sich seit Toms SMS über uns alle gesenkt hatte, schwebte die bevorstehende Probe wie eine dunkle Gewitterwolke über mir.
Nachdem wir unsere Ausrüstung entladen hatten – das schweigsamste Entladen in der Geschichte der Band –, versammelten wir uns um sechs in Toms Proberaum in der alten Schuhfabrik. Wir bauten alles auf, doch jedem im Raum war die Sinnlosigkeit dieser Aktion bewusst. Dies hätte die Generalprobe für jenen Gig sein sollen, der für unsere Band so wegweisend hätte werden können – und so gingen wir jetzt nur der Form halber die Stücke durch, bevor wir erfahren würden, was eigentlich passiert war.
Charlie und Jack lehnten lustlos an den Gitarren- und Bassverstärkern, während Tom und Wren reglos auf dem Sofa saßen. Ich hantierte mit Teekessel und Tassen herum, da mir nichts anderes einfiel. Nach etwa zehn Minuten angespannten Schweigens ging die Tür auf, und D’Wayne kam herein, sein Gesichtsausdruck ebenso steinern wie der aller anderen. Als er meinen Blick auffing, hoben sich seine Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, das sofort wieder erlosch.
»Was ist passiert, Tom?«, stellte er schließlich jene Frage, die uns alle auf dem Herzen lag.
Tom schüttelte den Kopf. »Julian hat mich angerufen und gesagt, dass die Hochzeit verschoben würde, und zwar auf unbestimmte Zeit.«
»Und wieso?«
»Seine Tochter hatte vor kurzem einen schweren Autounfall, von dem sie sich wieder einigermaßen erholt hatte, aber am Montagabend verschlechterte sich ihr Zustand plötzlich. Offenbar sind die Nerven in ihren Beinen schwerer in Mitleidenschaft gezogen worden, als man zunächst angenommen hatte, und deshalb muss sie jetzt wieder operiert werden. Die Ärzte haben ihr strikt davon abgeraten, sich dem Stress einer Hochzeit auszusetzen, solange sich
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