Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
seine Verhältnisse ordnen, und zwar auf der Stelle, was bedeutete, dass er sich mit seiner Frau versöhnen und von Edna lassen musste. Ansonsten hätte er sich von seinem Partner auszahlen lassen müssen. Das konnte sich Henry nicht leisten – er hätte nur einen Bruchteil des Wertes der Firma bekommen, und selbst wenn seine Scheidung durchgegangen wäre, hätte er Alimente zahlen sowie die Ausbildung seiner ehelichen Kinder finanzieren müssen – plus die Kosten für einen neuen Anfang mit Edna.
Was Ednas ältere Schwester angeht, Lilian, sie war in heller Panik, weil sie sich gerade mit einem sehr respektablen jungen Mann verlobt hatte von genau der Sorte, die ihr Vater billigte – geradeheraus und voller altmodischer Prinzipien mit einer dazu passenden Familie. Wenn die Familie von Lilians Verlobtem von Ednas Affäre mit Henry erfahren hätte, sie wäre entsetzt gewesen! Damals waren die Menschen alle furchtbar respektabel, was wir heute oftmals vergessen. Es war ihnen egal, wer unter die Räder kam, solange nach außen hin ein Bild der völligen Normalität gewahrt wurde. Es war in höchstem Maße scheinheilig, doch es entsprang der Angst, von der Gesellschaft verstoßen zu werden.«
Lottie blickte zur Wand, als erwartete sie noch immer, das Hochzeitsfoto ihrer Großmutter dort hängen zu sehen. Als sie die kahle Stelle erblickte, runzelte sie die Stirn, als hätte sie vergessen, dass sie selbst die Fotos abgehängt hatte.
»Schließlich spielte Arnold Walters seine Trumpfkarte aus. Er teilte Henry mit, dass Ednas Ruf ohne jede Aussicht auf eine Heirat ruiniert wäre. Es wäre Henrys Pflicht, die Affäre zu beenden. Und weil sich alle gegen ihn verschworen hatten und ihm sagten, dass er im Begriff stand, Ednas Leben zu ruinieren, gab er schließlich nach. Er versöhnte sich mit seiner Frau und seinem Geschäftspartner. Sie fuhren sogar in den längeren Urlaub, den Henrys Frau vorgeschlagen hatte. Sie fuhren in die Schweiz. Bis sie wieder zurückkehrten, hatte Edna herausgefunden, dass sie schwanger war. Doch da war es bereits zu spät, und niemand war mehr bereit, einen Deut nachzugeben.
Lilians Hochzeitstermin war festgelegt worden. Lilian, ihr Verlobter, Henrys Frau, sein Geschäftspartner und Arnold Walter explodierten fast. Die ganze Geschichte musste vertuscht werden. Abtreibung war damals illegal, und Edna weigerte sich rundweg, das Gesetz zu umgehen. Also wurde sie zur Entbindung in ein Heim für alleinstehende Mütter geschickt. Es ist ein vertrauenerweckender Name, nicht wahr? Aber es ist alles andere als ein heimeliger Ort. Die Mädchen in diesem Heim waren ausnahmslos nur dort, weil sie von ihren Familien verstoßen worden waren oder weil sie die ›Schande‹ einer unehelichen Geburt vor aller Welt geheim halten wollten oder weil die Väter der Babys die Mütter nicht heiraten wollten oder konnten. Nur wenige Mädchen durften ihre Babys behalten. Alle gingen davon aus, dass sie zur Adoption freigegeben werden würden, genau wie ich selbst auch.«
Ich blickte zu der leeren Stelle an der Küchenwand und dachte an das Foto und den angespannten Ausdruck im Gesicht der Braut und ihre spröde Haltung. Die ganze Hochzeit wäre um ein Haar hinausgeschoben und möglicherweise sogar abgesagt worden, und alles nur, weil ihre Schwester in einem Heim für alleinstehende Mütter und der Vater des Kindes in seinem eigenen Netz gefangen war, wie es bei Romanautoren immer so schön heißt.
Jessica schüttelte den Kopf. »Man sollte meinen, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, doch das ist ein Irrtum. Nach meiner Geburt erlitt Edna einen kompletten Nervenzusammenbruch. Man hatte sie zuerst von dem Mann getrennt, den sie über alles liebte, und dann von ihrem Baby. Sie litt wahrscheinlich unter dem, was wir heute Wöchnerinnendepression nennen oder Baby-Blues. Wie sollte dieses arme sechzehn Jahre alte Mädchen in diesem kalten und wenig freundlichen Heim, umgeben von strengen Gesichtern und dem Elend all der anderen Mädchen mit einer so schrecklichen Situation fertig werden? Also wurde sie aus dem Heim gleich in die erste einer ganzen Serie von psychiatrischen Anstalten überwiesen.« Ein Ausdruck von Bitterkeit stahl sich in Jessicas Gesicht. »So wurden Depressionen damals behandelt. Man wurde eingesperrt und basta.«
»Und ihre Familie sagte sich völlig von ihr los«, sagte ich, außerstande, noch länger zu schweigen.
»Oh ja.« Jessica nickte. »Eine Tochter oder Schwester in einer Irrenanstalt
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