Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
überraschtes O. Ich hatte ihn aufsuchen wollen, und nun hatte ich ihn gefunden, nur ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Viel zu spät für eine Unterhaltung. Ich wusste instinktiv, dass er tot war – dass dies nur noch die sterbliche Hülle des armen Duane Gardner war, die vor mir am Boden saß. In dieser Hinsicht war er also nicht wirklich da. Die Person Duane Gardner war gegangen, hatte sich auf ihre letzte Reise gemacht.
Meine Beine gaben unvermittelt unter mir nach, und ich sank auf den Besuchersessel vor dem zerkratzten alten Schreibtisch von Susie. Selbst jetzt noch sehe ich das ganze kleine Büro vor meinem geistigen Auge, jedes einzelne klapprige Möbelstück, den stahlgrauen Aktenschrank, die Spinnweben in der Ecke über dem ungeputzten Fenster. Draußen auf dem Fenstersims saß eine zerzauste dunkelgraue Londoner Taube mit schuppigen Füßen und einem misstrauischen gelben Auge. Sie schien hereinzublicken – vielleicht tat sie das tatsächlich. Wahrscheinlich konnte sie mich sehen, und wahrscheinlich hoffte sie, dass ich das Fenster öffnen und ihr ein paar Brotkrumen hinwerfen würde.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund störte mich ihre Anwesenheit kolossal. Sie war ein Eindringling, den ich nicht akzeptieren konnte. Der Tod sollte meiner Meinung nach eine private Angelegenheit sein. Wir alle stellen uns vor, dass wir umgeben sind von unseren Liebsten, während wir hinübergleiten ins Jenseits, doch ich weiß vom Tod meines Vaters und später von meiner Großmutter Varady, dass man selbst dann, wenn die Angehörigen da sind, von ihnen abgetrennt ist wie von einer dicker werdenden Scheibe, wie jener Scheibe im Fenster zwischen der Taube und mir. Man kann sie nicht länger erreichen und umgekehrt. Es ist der privateste Moment des ganzen Lebens, der gesamten Existenz – jener Augenblick, in dem man alles hinter sich lässt und stirbt.
Ich konnte Duane nicht länger erreichen. Nicht in irgendeiner bedeutungsvollen Form. Sicher, ich konnte ihn berühren, hätte ich gewollt, doch wozu? Er hätte es nicht mehr gespürt, er hätte nicht mehr darauf reagiert.
Wäre ich eine halbe Stunde, nur eine halbe Stunde früher hier gewesen, vielleicht sogar weniger, würden er und ich jetzt, in diesem Augenblick, hier gesessen, uns unterhalten und wahrscheinlich gestritten haben. Er hätte mich womöglich beschuldigt, ihm vorenthalten zu haben, dass ich ebenfalls ein Profi war, und ich hätte bestritten, etwas Derartiges zu sein. Duane schnaubte in dieser imaginären, niemals stattfindenden Konversation. »Ach ja? Also schön, was machen Sie dann hier?«
Was zur Hölle machte ich hier, in der Tat? Warum musste ausgerechnet ich den Toten finden? Und überhaupt – was machte er hier? Das war es, was ich wohl erwidert hätte, wenn ich früher eingetroffen wäre und wir uns gegenseitig Beleidigungen an den Kopf geworfen hätten. Die Frage musste nun umformuliert werden in: Was machte er hier – tot?
All dies ging mir innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf. Ich hörte, wie ein gestresstes Stöhnen über meine Lippen kam. Kein verängstigter, erschrockener Schrei, so schockiert ich auch sein mochte. Ich spürte Verwirrung und vor allem Mitleid. Ich hatte Gardner nicht gemocht, doch er war ein relativ junger Mann gewesen, und abgesehen davon, dass er mich immer wieder überlistet hatte, hatte er mir keinen Schaden zugefügt.
Bis jetzt. Jetzt war ich in diese Geschichte verwickelt, ob es mir gefiel oder nicht. Jetzt hatte er mich hineingezogen. Er war ein guter Detektiv gewesen. Er hatte mich irgendwie ausfindig gemacht und herausgefunden, dass ich gelegentlich für Susie arbeitete. Er war hergekommen, um mit mir zu reden, mich zu konfrontieren oder eine Nachricht für mich zu hinterlassen. Das konnte nur Ärger für mich bedeuten, auf die eine oder andere Weise.
Jetzt endlich stieg Angst in mir auf.
»Bitte, Duane!«, betete ich leise und sinnlos. »Tu mir das nicht an!«
Es stand nicht mehr in seiner Macht, meine Bitte zu erfüllen. Der kleine runde offene Mund schien mir erzählen zu wollen, was zu dieser Situation geführt hatte, doch die Kommunikation war unwiderruflich unterbrochen worden. Er hätte überrascht ausgesehen, wäre nicht bereits der Film über seinen glasigen Augen gewesen. Sein Ausdruck schien zu sagen: Das kann nicht sein. Das ist ein großer Irrtum. Ich bin der Falsche. Du suchst eigentlich jemand anderen.
Dann, während ich hinsah, zuckten seine Kiefermuskeln, als wollte er
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