und das Geheimnis der Tuerme
aufbrach, war er bester Dinge. Er hatte am Vortag eine Menge geschafft und seine Recherchen liefen gut. Um neun Uhr fuhr er die Auffahrt von Cantrip Towers hinauf. Keine zehn Minuten später hatte er begonnen, sich Notizen zu den Gemälden zu machen, die auf Höhe des ersten Stocks im Treppenhaus hingen.
Bevor er zum ersten Mal nach Cantrip Towers gekommen war, hatte er schon einiges über die Familiengeschichte herausgefunden. Als Flame ihn gefragt hatte, ob es Cantrips gäbe, die im Ersten Weltkrieg gekämpft hätten, kannte Charles die Antwort also schon. Aber er wollte zuerst herausfinden, warum sie ihn danach gefragt hatte.
Charles hatte Flame nicht eine Sekunde geglaubt, dass ihre Frage mit einem Schulprojekt zu tun hatte. Nein, sie war etwas ganz Speziellem auf der Spur. Er wusste, dass die Cantrip-Schwestern viel besonderer waren, als es den Anschein hatte. Tatsächlich war er bestens informiert über ihre magischen Fähigkeiten.
Charles fuhr also mit seiner Arbeit fort. Er sprach Dinge auf sein Diktiergerät. Er kritzelte in sein kleines schwarzes Notizbuch, das er stets bei sich trug. Jeder, der ihn gesehen hätte, hätte angenommen, dass er intensiv an seinem Forschungsprojekt arbeitete. Und das tat er auch.
Aber es gab noch einen zweiten Grund, warum Charles Smythson auf Cantrip Towers war.
Er suchte nach einem Kästchen – einem Kästchen, das einen Plan enthielt. Und es schien, als wäre er nicht der Einzige.
Er ahnte, dass die Cantrip-Schwestern genauso verzweifelt danach suchten. Etwas daran, wie sie ein Stockwerk nach dem anderen von Raum zu Raum gegangen waren, hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Natürlich hatte er ihnen nicht geglaubt, dass sie bloß spielten, wie sie gesagt hatten.
Die Frage war, ob sie nach derselben Sache suchten wie er.
Er würde die Antwort schon noch herausfinden, dachte Charles, während er sich dem nächsten Porträt zuwandte, einem Ölgemälde aus dem siebzehnten Jahrhundert, das eine alte Frau mit einer schwarzen Haube zeigte. Sie trug einen Kragen aus weißer Spitze und ihre Augen blickten überaus wachsam. Sie sieht aus, als hätte sie jede Menge Spaß im Leben gehabt, dachte Charles, als er das Bild genauer unter die Lupe nahm. Es war ein Porträt von Sybil Cantrip.
Er betrachtete ihr Gesicht und überlegte, ob sie wohl die magischen Kräfte gehabt hatte, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Instinktiv ahnte er, dass es so gewesen war. Sybil musterte den Betrachter mit Augen, die mehr zu sehen schienen als die einer gewöhnlichen Sterblichen.
Er hatte diesen Blick bei seinen jungen Cousinen beobachtet. Jede einzelne von ihnen schien von Zeit zu Zeit bis auf den Grund seiner Seele blicken zu können.
Er hielt einen Moment inne. Unten in der Halle tickte die große Standuhr. Im Haus war es still.
Die Mädchen sind im Wohnwagen, dachte er. Aber wo war Ottalie? Da vernahm er den Klang eines Klaviers. Sie gibt also eine Klavierstunde, dachte er. Und Colin? Er wollte in seinem Büro in der Stadt arbeiten.
Charles wartete noch einen Moment, aufmerksam lauschend. Dann ging er den Flur im ersten Stock entlang und betrat das Schlafzimmer der Eltern.
Er schloss die Tür hinter sich, trat in die Mitte des Zimmers und sah sich um. Es war ein großer, lichtdurchfluteter Raum mit einer hohen Decke, cremefarbenen Wänden, hellen Vorhängen und einem weichen Teppich.
Er bewegte sich rasch auf die erste von zwei Holzkommoden zu, warf einen kurzen Blick auf die silbergerahmten Familienfotos, die darauf standen und zog eine Schublade nach der anderen auf. Er sah in jede hinein, tastete vorsichtig unter den akkurat gefalteten Kleidern nach versteckten Gegenständen. Nein, hier war es nicht. Gut, dann also die zweite Kommode, dachte er und suchte weiter. Doch auch dort fand er nichts.
Er horchte nochmals, ob jemand über den Flur kam, doch es war noch immer ruhig.
Jetzt den Kleiderschrank, dachte er und arbeitete sich schnell und methodisch durch Fächer und Schubladen. Er nahm sich auch die Kleider vor, die im Schrank an einer Stange hingen.
Aber das Kästchen fand er nicht.
Wo konnte es sein? Ich habe im Esszimmer gesucht, im Wohnzimmer und in Colins Arbeitszimmer, dachte er. Ich sollte besser auch noch die Zimmer der Mädchen, den Dachboden und alle Wandschränke überprüfen. Es muss hier irgendwo sein … Und was ist mit Marilyn Cantrips Wohn- und Schlafzimmer?, überlegte er. Es könnte auch dort sein … Am besten überprüfe ich das sofort,
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