und das Geheimnis der Tuerme
Flora ihnen den kleinen weißen Briefumschlag zeigte. »Ich habe ihn hinter Ur-urgroßmutter Mims Porträt gefunden«, erklärte sie.
»Das hast du uns gar nicht erzählt!«, sagte Flame.
»Wir waren alle so beschäftigt, da hab ich es einfach vergessen«, sagte Flora entschuldigend. »Zum Glück hat mich der Stein gestern Abend daran erinnert, dass der Umschlag noch in meiner Jeans war, sonst hätten wir ihn an die Waschmaschine verloren.«
»Von wem ist er und was steht drin?«, fragte Marina mit leuchtenden Augen.
»Halt ihn mal hoch, damit ich ihn sehen kann!«, sagte Sky.
Flora hielt den Umschlag in den Strahl der Taschenlampe.
»An die Cantrip-Schwestern, Cantrip Towers« , las Flame laut vor.
Sie verzog fragend das Gesicht. »Haben schon vor uns irgendwann Schwestern auf Cantrip Towers gelebt?«
Marina, Flora und Sky zuckten ratlos die Schultern.
»Öffne ihn, Flora«, sagte Flame. »Hier, nimm mein Taschenmesser, dann machst du den Umschlag nicht kaputt. Er sieht sehr kostbar aus.«
»Danke«, erwiderte Flora. Sie öffnete den Umschlag vorsichtig mit dem Messer.
»Komm schon, beeil dich!«, sagte Marina.
Die vier Cantrip-Schwestern hielten den Atem an, als Flora den Brief aus dem Umschlag zog.
Es waren zwei kleine Blätter, die in der Mitte gefaltet waren. Die Tinte war schwarz, die Handschrift schwungvoll in einem ziemlich altmodischen Stil. In der oberen rechten Ecke des Briefes stand, wo er verfasst worden war: Cantrip Towers . Darunter stand das Datum: 6. Juni 1917 .
»O mein Gott!«, sagte Flora. »Seht doch!«
Sie hielt den Brief so, dass ihre Schwestern ihn besser sehen konnten.
»Liebe Flame, Marina, Flora und Sky« , las Sky vor. »Damit sind wir gemeint!«
Flame, Marina, Flora und Sky sahen sich aufgeregt an.
»Dieser Brief wurde vor beinahe hundert Jahren geschrieben«, sagte Flame so leise, dass es fast ein Flüstern war. »Das ist ganz schön unheimlich.«
Sie schwiegen. Schließlich sagte Marina: »Sieh nach, von wem er ist.«
Flora nahm das zweite Blatt in Augenschein. Am Ende des Briefes prangte die Signatur. Euer George Cantrip .
»Wer ist George Cantrip?«, fragte Marina. »Haben Mum, Dad oder Grandma ihn je erwähnt?«
»Nicht dass ich wüsste«, erwiderte Flame. »Das alles ist wirklich sehr merkwürdig.«
»Meint ihr, Dad hat vielleicht den Brief hinter dem Porträt versteckt, um uns an der Nase herumzuführen?«, sagte Marina.
»Warum hätte er das tun sollen?«, fragte Flora.
»Keine Ahnung, war nur so ein Gedanke«, sagte Marina schulterzuckend.
»Flame, lies du vor!« Flora gab ihrer Schwester den Brief. »Ich werde die Taschenlampe halten.«
Die Schwestern rutschten auf dem Bett hin und her, bis jede von ihnen eine bequeme Position gefunden hatte.
»Also los«, sagte Flame und begann zu lesen:
»Liebe Flame, Marina, Flora und Sky,
ich werde schon bald wieder in den Krieg ziehen und an der Front kämpfen müssen, und ich weiß, daß ich womöglich nicht von dort zurückkehren werde. Ich bin diesen Monat neunzehn Jahre alt geworden.«
»Was ist die Front?«, fragte Sky. »Warum musste er kämpfen?«
»1917 war die Zeit des Ersten Weltkriegs«, erklärte Flame. »Die Front war die Linie in Frankreich und Belgien, an der die Armeen aufeinandertrafen. Alle jungen Männer mussten von zu Hause fort und dort kämpfen. George ist vielleicht verwundet worden und war auf Erholungsurlaub. Aber er musste anscheinend wieder zurück.«
»Ich frage mich, was aus ihm geworden ist«, sagte Sky.
Flame seufzte traurig. »Ich glaube nicht, dass er uns diesen Brief hinterlassen hätte, wenn er zurückgekommen wäre.«
Dann las sie weiter:
»In diesem Haus existiert jede Menge Magie und sie muß sorgfältig gehütet werden. Einige Menschen haben bereits versucht, sie zu stehlen, aber bisher konnten Vater und ich sie davon abhalten.«
Flame hielt inne, das Gesicht gedankenverloren. Schließlich sagte sie: »Er muss Sidney Cantrip meinen. Wenn das hier 1917 geschrieben wurde und George ein junger Mann war, bedeutet es wahrscheinlich, dass er einer von Sidneys Söhnen war.«
»Könnte er unser Ur-Großvater sein?«, fragte Flora.
»Nicht, wenn er nicht aus dem Krieg zurückgekehrt ist«, erwiderte Flame und biss sich auf die Unterlippe. Sie holte tief Luft, dann fuhr sie fort:
»Für den Fall, daß ich nicht zurückkehren sollte, habe ich diesen Brief versteckt, von dem ich weiß, daß Ihr ihn finden werdet. Im Kuvert ist außerdem noch ein Schlüssel … Ist da
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