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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Augenbrauen. »Bitte verstehen Sie das nicht falsch«, sagte ich, »aber man kann sich leicht denken, warum Willis & Willis einer Engländerin gefallen würde. Eine weniger ›amerikanische‹ Rechtsanwaltskanzlei ist schwer vorstellbar.«
    »Sie haben ganz Recht«, sagte Willis senior.
    »Ähnlich äußerte sie sich auch, als ich nach England reiste, um sie kennen zu lernen. Sie stellte sich eine Kanzlei vor, ›die dem gnadenlosen Konkur-renzkampf noch nicht restlos verfallen war‹, wie sie es ausdrückte. Anders gesagt, waren wir anachro-nistisch genug, um ihren Vorstellungen genau zu entsprechen.«
    Sein Blick wanderte zurück zur Tür, durch die Bill verschwunden war. »Ich vermute, dass auch mein Sohn dazu beitrug, sie in ihrer Meinung über uns zu bestärken. Ich hatte ihn nämlich mitgenommen, wissen Sie. Mein Vater, damals das Ober-haupt der Kanzlei, billigte das zwar nicht – er nannte es unprofessionell –, aber meine Frau war gerade gestorben, und es kam für mich nicht in Frage, mich für längere Zeit von dem Jungen zu trennen.«
    Wieder sah er mich an. »Schließlich stellte es sich als ein glücklicher Umstand heraus. Die Tatsache, dass ich den Jungen mitgenommen hatte, zeigte meiner Mandantin, dass unsere Kanzlei nicht so verknöchert war, wie es vielleicht den Anschein haben mochte.

    Jedenfalls erzählte sie mir, dass sie eine Freundin habe, eine Amerikanerin mit einer Tochter; und dass sie in dem Testament Aufgaben spezifizieren würde, die diese erfüllen müsste. Diese Tochter wusste anscheinend nichts von der Existenz meiner Mandantin, und meine Mandantin wünschte, dass diese Anonymität gewahrt bliebe, bis das Testament zur Vollstreckung käme. ›Es ist mein letzter Auftritt in dieser Geschichte‹, sagte sie, ›und ich möchte, dass es eine Überraschung wird.‹
    Wie Sie inzwischen zweifellos erraten haben, war Ihre Mutter, die verstorbene Elizabeth Irene Shepherd, diese Freundin, und Sie sind die Tochter.
    Was ich Ihnen jetzt schon sagen darf, ist, dass meine Mandantin Miss Dimity Westwood war, die Begründerin des Westwood Trust, der nach wie vor eine große Anzahl von Hilfsorganisationen im Ver-einigten Königreich unterstützt.
    Miss Westwood genoss zeitlebens ein hohes Ansehen, blieb aber immer ein wenig rätselhaft – man könnte sagen, eine unsichtbare Wohltäterin. Außerdem war sie, wenn ich mir diese persönliche Anmerkung erlauben darf, eine der bemerkenswer-testen Frauen, die ich je die Ehre hatte kennen zu lernen.« Willis senior lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände über seiner Weste.
    »Ich bin schon viele Jahre Rechtsanwalt«, fuhr er nachdenklich fort, »und ich habe so ziemlich alles erlebt, was es an Skandalen und Schlammschlach-ten gibt. Das Klischee stimmt leider: Bei Erbangele-genheiten zeigen sich oft erstmals die wahren Seiten der Menschen, ihre Habgier und Kleinlichkeit.« Er seufzte. »Ich sollte mich vermutlich nicht beklagen, denn durch diese Streitereien verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Aber trotzdem muss ich sagen, dass es ein außerordentliches Vergnügen ist, wenn man eine Mandantin wie Miss Westwood kennen lernt.
    Sie war eine großartige Korrespondentin – nur dieses eine Mal bin ich persönlich mit ihr zusam-mengetroffen. Und dennoch war sie so großzügig, so freundlich, so …« Er suchte nach dem passenden Wort. »… so humorvoll«, schloss er etwas hilflos.
    »Sehen Sie, es war ihr Wunsch, dass ich zusammen mit meinem Sohn bei ihr wohnte, und während der ganzen Zeit unseres Besuchs verging keine Stunde, wo es nicht etwas gab, worüber sie lachen konnte, und sei es irgendeine kleine, unwichtige Sache, die ich völlig übersehen hätte. Für mich waren die zehn Tage bei ihr wie ein Erholungsurlaub.«
    Willis senior schwieg. Sein Blick war irgendwo in die Ferne gerichtet, verloren in Erinnerungen, und ich sah gebannt sein Gesicht an. Das Zusammentreffen war fünfundzwanzig Jahre her, und er war noch immer von ihr verzaubert. Fast kam es mir vor, als sähe ich es selbst, wie Dimity Westwood Vater und Sohn in ihrem Haus willkommen hieß.
    Sie hatte hinter die professionelle Fassade dieses Rechtsanwalts geschaut und den trauernden Witwer gesehen, der es nicht ertragen konnte, sich von seinem kleinen Sohn zu trennen. Das also war der Mann, den sie dazu ausersehen hatte, sich um meine Interessen zu kümmern. Es war klar, dass sie ihn nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen gewählt hatte. Miss Westwood musste Tante

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