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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Schuhkarton, der auf dem Boden des Schranks stand. Liebevoll sah ich auf die grau-rosa Flanellfetzen.
    »Mama lässt dich grüßen«, sagte ich leise. Ich be-rührte den handgestickten Schnurrbart. »Du hast Recht, Reginald. Es könnte schlimmer sein. Wenigstens habe ich noch beide Ohren.«
    Ich verstaute den Karton in meiner Segeltuchtasche und ging die Treppe hinunter. Als ich aus dem Haus trat, brachen gerade die ersten Strahlen der untergehenden Sonne durch die Wolken.

    Ich nahm mir auch Zeit Stan Finderman, meinen alten Chef, zu besuchen. Er wohnte in einem res-taurierten Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert in der Nähe des Gardner-Museums, wo er auch arbeitete, seit sein Arbeitsplatz in der Universität in Flammen aufgegangen war.

    »Lori!«, dröhnte er schon an der Tür. »Wie zum Teufel geht’s dir, und was macht der Punker, der dich entführt hat?« Stan hatte nichts davon gehalten, dass ich damals weggezogen war. »Wer ist das denn?«, fragte er, als er Bill bemerkte. »Bist du deinen nichtsnutzigen Mann endlich los?«
    Dr. Stanford J. Finderman (»Nenn mich Stan«) sah nicht so aus, wie man sich gemeinhin den Kurator einer Sammlung bibliophiler Bücher vorstellt. Er war von riesenhafter Statur, und sein weißes Haar war zu einem praktischen Bürstenschnitt gestutzt.
    Wie Willis senior war auch er Anfang sechzig, aber er hätte Willis senior zwischen Daumen und Zeige-finger zerquetschen können. Nichts amüsierte Stan mehr als die ängstlichen Gesichter der Studenten, die zum ersten Mal mit ihm zu tun hatten.
    Meist entdeckten sie sehr bald, dass Stans Wissen mindestens ebenso beeindruckend war wie seine körperlichen Ausmaße. Im Zweiten Weltkrieg war er bei der Marine gewesen, was ihm ein Stipendium fürs College eingebracht hatte, wo er mit seinen Fähigkeiten alle anderen Studenten in den Schatten gestellt hatte. Wenn man sich fragte, warum er sich ausgerechnet alte Bücher zu seinem Spezialgebiet erkoren hatte – anstatt zum Beispiel Gewichtheben oder Freistilringen –, dann brauchte man ihn nur dabei zu beobachten, wie liebevoll er mit seinen großen Pranken Bücher anfasste. Bücher waren Stans erste, letzte und einzige Liebe. Er schien in außergewöhnlich guter Verfassung zu sein für jemanden, dessen Lebenswerk in Flammen aufgegangen war. Als wir ihm durch den engen Korridor folgten, erklärte ich kurz die Veränderung in meinem Familienstand – »Die verdammt beste Entscheidung, die du je getroffen hast!« – und stellte Bill vor. Dann fragte ich ihn, wie es ihm seit dem Feuer ergangen sei.
    »Das Beste, was uns hätte passieren können, verdammt noch mal«, dröhnte seine Stimme. »Wir verklagten die Firma, von der die Anlage kam, die Schurken wollten eine außergerichtliche Einigung, und jetzt habe ich mehr Geld zur Verfügung als je zuvor! Seht euch das an!« Er winkte uns in sein Wohnzimmer, in dem sich die Kartons stapelten.
    »Hab den ganzen Winter gefischt und ein paar richtige Schätze an Land gezogen. Nächstes Frühjahr kann ich sie hoffentlich wieder dort hinstellen, wo sie hingehören, wenn diese gottverdammten Bauarbeiter ihre gottverdammten Ärsche hochkriegen.«
    Mit den Augen maß er Bill, dann beugte er sich zu ihm hinüber. »Was wissen Sie über Bücher?«, fragte er.
    »Gar nichts«, entgegnete Bill fröhlich.
    Ich hielt den Atem an, weil ich eine Explosion be-fürchtete. Mein alter Chef hatte keine Zeit für Menschen, die keine Bücherfreunde waren, und er hatte auch keine Skrupel, ihnen das nachdrücklich klar zu machen. Einen Moment war ich daher sehr angespannt, als Stan Bill mit seiner Pranke auf die Schulter schlug, worauf ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
    »Ich schätze einen Mann, der seine Grenzen kennt«, sagte Stan. »Trinken Sie ein Bier?«
    »Gern, Dr. Finderman.«
    »Und den Quatsch können Sie auch lassen. Nennen Sie mich Stan.«
    »Ganz wie Sie wünschen, Stan.« Und zu meiner grenzenlosen Verwunderung schlug Bill jetzt Stan leicht auf die Schulter und fügte hinzu: »Das heißt, so weit es zu vertreten ist.«
    Stans Augen verengten sich etwas, aber er sagte nur: »Der ist in Ordnung, Lori.« Er legte den Arm um Bills Schultern und steuerte ihn zu einer halb offenen Kiste neben dem Ledersofa. »Setzen Sie sich hier hin, und sehen Sie sich das mal an, während ich das Bier hole. Für einen Schotten ist er ein verdammt guter Spezialist, wenn es um Reispapier geht.«
    Es dauerte eine Stunde, ehe ich dazu kam, ein Wort zu sagen.
    Eigentlich

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