und das geheimnisvolle Erbe
ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Ich würde es am liebsten einpacken und mit nach Hause nehmen«, sagte ich. »Ich stehe gerade im Arbeitszimmer und sehe durch den Efeu am Fenster den Regen herunterprasseln, und im Kamin brennt ein Feuer. Es ist so heimelig … ich wünschte, Sie könnten es sehen. Und in London war es auch wunderbar. Bill war … äh …«
»Ja, Miss Shepherd? Was wollten Sie sagen?«
»Bill war sehr nett«, sagte ich schnell, zu schnell, um Willis senior täuschen zu können. Es war, als ob ich seinen Seufzer sogar durch das Krachen in der Leitung hörte.
»Gehe ich richtig in der Annahme, dass mein Sohn sich nicht einwandfrei benommen hat?«
»Na ja …« Ich spielte mit der Telefonschnur. »Ist es etwa einwandfrei, wenn er mir einzureden versucht, dass es hier im Haus spukt?«
»Entschuldigung, Miss Shepherd, habe ich das richtig verstanden? Sagten Sie, es spukt ?«
»Schwer zu glauben, nicht wahr?«
»Was meinen Sohn angeht, so weiß ich wirklich nicht mehr, was ich glauben kann. Ich denke, ich muss wirklich mal mit dem Jungen reden.«
»Ich glaube, er hat es nicht so gemeint«, platzte ich heraus. Ich wünschte jetzt, ich hätte den Mund gehalten. Die Stimme von Willis senior klang sehr aufgeregt, und das gefiel mir gar nicht.
»Trotzdem, er hat es zu weit getrieben. Dieses Benehmen ist alles andere als professionell, und dafür gibt es keine Entschuldigung. Wenn man ihm nicht vertrauen kann, dass er Miss Westwoods Wünsche korrekt ausführt, dann werde ich ihn nach Hause kommen lassen und nach einem geeigneten Ersatz suchen. Ich bereue fast schon, dass ich Sie nicht selbst begleitet habe.«
»Nein, das dürfen Sie nicht tun.« Jetzt war ich wirklich erschrocken.
»Ich bin Miss Westwoods Testamentsvollstrecker, Miss Shepherd. Es ist meine Verantwortung, dafür zu …«
»Es war nur ein Scherz«, wiederholte ich, »ein dummer Streich. Es hat mir auch keine Angst einge-flößt, keinen Augenblick.«
»Sind Sie da ganz sicher?«
»Halten Sie mich für jemanden, der an Gespenster glaubt?«
»Nein …«
»Also bitte, dann vergessen Sie es einfach. Ich werde selbst mit Bill sprechen.«
»Sehr gut. Aber wenn er damit weitermachen sollte …«
»Dann werde ich es Ihnen sagen, Mr Willis.«
»Ich verlasse mich auf Sie.« Einen Moment war es still in der Leitung, und als Willis senior wieder das Wort ergriff, hatte seine Stimme ihre gewohnte Ruhe wiedergefunden. »Und nun, Miss Shepherd, wenn ich mich einem etwas angenehmeren Thema zuwenden darf, ehe ich auflege?«
»Ja, natürlich.«
»Ich möchte Ihnen meinen tief empfundenen Dank für Ihr wunderschönes Geschenk ausdrücken.
Ich hatte schon versucht, Sie in London zu erreichen, aber Sie waren immer unterwegs, und ich wollte es Ihnen nicht durch Miss Kingsley ausrich-ten lassen. Ich danke Ihnen sehr. Ich habe selten ein so schönes Beispiel kartographischer Kunst gesehen, noch jemals einen so passenden Rahmen. Meine Liebe, es hat mir wirklich den Atem verschla-gen.« Bei der Wärme seiner Worte spürte ich einen kleinen Freudenschauer. Ich wickelte die Telefonschnur um den Finger und drehte eine Pirouette, wie ein kleines Mädchen, das gerade für ihr fehler-loses Klavierspiel gelobt wird.
Und dann erstarrte ich.
Denn dort, auf der Armlehne eines der großen Ledersessel am Kamin, saß Reginald und sah mich an.
Nicht mein Reginald. Mein Reginald war oben im Schlafzimmer, im Kleiderschrank, im Schuhkarton, in Fetzen. Und dieser Reginald saß hier, im Arbeitszimmer, aufrecht und ordentlich im Sessel, jeder Stich sauber und tadellos, mit zwei glänzenden Knopfaugen, beiden Ohren und so rosa und weich wie an dem Tag, als er auf die Welt kam.
Makellos – bis auf den lila Fleck neben seinem aufgestickten Schnurrbart.
»Ich muss jetzt leider gehen«, sagte ich plötzlich.
»Wie bitte, Miss Shepherd?«
»Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte ich. »Jetzt sofort. Ich rufe Sie später zurück.«
»Ist etwas passiert?«
»Ich rufe zurück«, sagte ich nochmals. Damit legte ich den Hörer auf, rannte aus dem Arbeitszimmer und stürmte die Treppe hinauf. Im Schlafzimmer riss ich die Schranktür auf, ergriff den Schuhkarton und zerrte den Deckel herunter.
Der Schuhkarton war leer.
Es war unmöglich, dass Bill etwas von Reginald gewusst haben konnte. Nicht einmal Meg kannte Reginald. Ich meine, welche dreißigjährige Frau gibt schon gern zu, dass ihre wichtigste Vertrauens-person ein Stoffhase ist?
Aber irgendjemand musste
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