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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Gespenster!« Er gab die Pose auf und hob die Augenbrauen. »Wäre es so etwa gewesen?«

    »Ein Volltreffer.« Ich verzog das Gesicht. »Ich muss ziemlich schlimm gewesen sein, nicht wahr?«
    »Nicht schlimmer als ich«, sagte Bill, »und du hattest allen Grund dazu. Schließlich warst du plötzlich allein in einer völlig fremden Situation, da kann ich verstehen, dass du misstrauisch warst.«
    »Misstrauisch ja, aber warum so aggressiv?«, sagte ich. »Ich weiß auch nicht – vielleicht benahm ich mich so, weil ich verwirrt war. Ich verstand nicht, warum du so – so nett zu mir warst.« Ich wischte ein unsichtbares Staubkorn von der Tischplatte. »Um ganz ehrlich zu sein, ich verstehe es immer noch nicht.«
    »Kannst du es nicht einfach akzeptieren?«, fragte er.
    »Es fällt mir schwer, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht verstehe.«
    »Wie deine Mutter?«, sagte er leise.
    Ich stemmte die Hände auf die Hüften und warf ihm einen empörten Blick zu, doch als ich merkte, wie ich aussehen musste, ließ ich mich betreten in den Sessel fallen. »Ja, wie meine Mutter.« Ich zeigte auf ein Bild in Dimitys Album. »Sieh mal, hier. Das ist meine Mutter.«
    Bill legte eine Hand auf die Lehne meines Sessels und sah mir über die Schulter, als ich durch das restliche Album blätterte. Kaum eine Seite, auf der meine Mutter nicht zu sehen war, ob in Uniform oder in Zivil, ihr dunkles Haar entweder in einem Knoten gebändigt oder geflochten und über den Ohren zu Schnecken hochgesteckt. »So trug sie es, um ihre Ohren warm zu halten«, sagte ich. »Sie sagte, dass aufgrund der mageren Kohlenzuteilung in London während des Krieges die Büros erbärmlich kalt gewesen seien. Sie hatte wunderschönes Haar, lang und seidig.
    Ehe ich zu Bett ging, durfte ich es oft bürsten, und jeden Abend betete ich darum, dass meine Locken glatt werden würden und ich Haar bekäme wie ihres.« Ich fuhr mit der Hand durch meinen wider-spenstigen Haarschopf. »Es hat aber nichts genützt.«
    »Aber du hast ihren Mund«, sagte Bill. »Und ihr Lächeln.«
    »Tatsächlich?« Bei dem Gedanken musste ich lä-
    cheln. Es war schon lange her, seit ich mit jemandem über meine Mutter gesprochen hatte, und jetzt schien es, als ob ich nicht aufhören konnte, über sie zu reden. »Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Sieh mal hier, wo sie das ulkige Gesicht macht. Genau die Grimasse hat sie auch immer für mich gemacht, die Nase kraus gezogen und geschielt, und es hat mich jedes Mal fast zerrissen vor Lachen. Wir haben auch Kissenschlachten veranstaltet, und sie hat mich durch die Wohnung gejagt, bis Mrs Franken-berg unter uns mit dem Besenstiel an die Decke klopfte. Und sie erfand eine ganze Reihe neuer Fei-ertage für mich. Ich ging schon in die erste Klasse, ehe ich merkte, dass außer mir niemand den Schoko-Dienstag feierte.« Ich blätterte um. »Verglichen mit ihr kamen mir andere Mütter wie Attrappen aus Pappmaché vor.«
    »Warst du jemals bei ihr in der Klasse?«
    »Nein, nie. Sie wusste, wie Kinder sein können, deshalb meldete sie mich in einer anderen Schule an.«
    »Wie hat sie es dann mit den Elternversammlun-gen gehalten, wenn die an beiden Schulen gleichzeitig stattfanden? Das musste ganz schön kompliziert für sie gewesen sein.«
    »Kompliziert? Versuche mal, gleichzeitig an zwei Orten zu sein. Aber irgendwie hat sie es immer geschafft, dass niemand zu kurz kam.« Ich schloss das Album und seufzte. »Niemand außer ihr.«
    »Lori …«, fing Bill an, aber das Telefon unterbrach ihn. Noch vor dem zweiten Klingelton nahm er den Hörer auf.
    »Ja?«, sagte er. »Wie geht’s dir, Vater? Gut, gut.
    Natürlich benehme ich mich. Du glaubst doch nicht, dass ich das wieder mitmachen möchte, oder? Ja, in mancher Hinsicht ist sie ganz wie mein alter Schul-leiter, bis auf den kleinen Schnurrbart … Ja, sie hat fleißig an den Briefen gearbeitet.« Bill sah mich an, dann drehte er sich weg. »Es tut mir Leid, Vater, aber ich glaube, sie kann im Moment nicht ans Telefon kommen. Wäre es möglich, dass du …«

    »Es ist in Ordnung, Bill«, sagte ich. »Ich kann mit ihm sprechen.«
    »Einen Moment bitte, Vater.« Bill hielt die Hand über die Sprechmuschel und sagte zu mir: »Es kann warten.«
    »Ich weiß. Aber es ist okay. Ich will mit ihm sprechen.«
    Bill sah mich prüfend an, dann sprach er wieder ins Telefon. »Du hast Glück, Vater, sie ist gerade heruntergekommen. Hier, ich reiche dich weiter. Ja, das werde ich. Es war auch schön, mit dir zu

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