und das geheimnisvolle Erbe
seien.
Niemand wusste, wie alt sie waren, nicht einmal der jetzige Dorfpfarrer, aber generell vermutete man, dass sie die Hundert überschritten hatten. Sie waren niemals verheiratet gewesen und hatten ihr ganzes Leben hier in Finch verbracht. »Ich glaube, sie wissen über das, was hier in Finch vor sich geht, besser Bescheid, als die meisten Leute vermuten«, schloss Emma. »Ich bin sicher, dass sie es waren, die Ihrer Mutter das Bild gaben, und wenn sie es nicht waren, dann werden sie zumindest wissen, wer es war.«
»Ist es möglich, die beiden kennen zu lernen?«
»Ja, indem Sie die beiden zum Tee einladen, na-türlich. Wahrscheinlich werden sie es gar nicht mehr erwarten können, Sie kennen zu lernen. Wenn Sie möchten, spreche ich mit ihnen.«
»Ja, bitte. Und Sie kommen auch, ja?«
»Ich könnte ja schon etwas früher kommen und mit den Vorbereitungen helfen.«
»Das wäre wunderbar.«
Emma begleitete mich in den »Schmutzraum«, wo ich meine Jacke vom Haken nahm und Ham zum Abschied noch einmal streichelte.
»Das nächste Mal müssen Sie kommen, wenn die Sonne scheint, damit ich Ihnen den Garten zeigen kann.« Emma hielt Ham am Halsband fest, während ich die Tür öffnete. »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas über die fehlenden Seiten herausfinden, und ich rufe an, sowie ich weiß, wann Ruth und Louise kommen wollen.«
Ich öffnete meinen Schirm, dann streckte ich die Hand aus. »Vielen Dank. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet, aber …«
»O doch, ich glaube, das kann ich. Derek und ich haben Dimity auch sehr gern gehabt.«
Als ich zurückkam, war Bill im Arbeitszimmer eingeschlafen, die Füße auf der Ottomane, in der Hand das voll geschriebene Notizbuch. Ich weckte ihn, indem ich Reginald in seinen Schoß plumpsen ließ.
Dann setzte ich mich zu ihm aufs Sofa und erzählte ihm alles, was ich an diesem Morgen von Emma erfahren hatte. Als ich ihm die Stelle mit den heraus-geschnittenen Seiten im Fotoalbum zeigte, war er ebenso enttäuscht wie ich, stimmte mir jedoch zu, dass sein Vater vielleicht etwas darüber wusste. Er war begeistert, dass er die Schwestern Pym kennen lernen würde. Als ich ihm erzählte, dass wir sie zum Tee einladen würden, merkten wir beide, dass wir hungrig waren. Sehr mutig wagte ich mich an ein Spinatsoufflé, das mir wunderbar locker geriet.
Nach dem Mittagessen konnte ich mich nicht überwinden, gleich wieder an den Briefwechsel zu gehen. Die Sache mit meiner Mutter hatte mich zu sehr erschreckt, und ich hatte Angst vor neuen Entdeckungen. Wie versprochen, machte sich Bill wieder an die Arbeit, während ich die im Zimmer ver-streuten Archivkästen wieder an ihren Platz auf dem Bücherbord stellte. Ich saß am Schreibtisch und blätterte gerade wieder im Fotoalbum, als Bill mich aus meinen Gedanken riss.
»Horch mal!«
»Ich kann nichts hören.«
»Das ist es ja. Es hat aufgehört zu regnen!«
Ich traute meinen Ohren kaum. Das gleichförmige Trommeln des Regens war einer Stille gewichen, die man fast fühlen konnte, und als ich mich vor-lehnte, um aus dem Fenster zu sehen, sah ich, dass sich ein dichter Nebel ausgebreitet hatte.
Bill klappte das Notizbuch zu und steckte es in die Tasche, dann kam er ans Fenster, um einen Blick nach draußen zu werfen. »Ach ja, die Freuden des englischen Wetters.«
»Jedenfalls wird es eine große Erleichterung für Derek und den Pfarrer sein. Denkst du, dass es bis morgen aufklaren wird?«
Bill zuckte die Schultern. »Eine innere Stimme sagt mir, dass wir morgen auf diesen Hügel steigen, selbst wenn es einen Schneesturm geben sollte. Sie haben zwar viele Tugenden, Miss Shepherd, aber Geduld gehört nicht dazu.«
»Ich bin immer schon unterwegs, ehe ich weiß, wohin ich eigentlich gehe«, gab ich zu. »Meine Mutter sagte immer …« Ich unterbrach mich und sah wieder in den Nebel hinaus. »Übrigens wollte ich dir danken.«
»Wofür?«
»Dafür, dass du mir geglaubt hast, als ich dir von dem Tagebuch erzählte, selbst als du es nicht mit eigenen Augen sehen konntest. Wenn du mir mit so einer Geschichte gekommen wärst, dann hätte ich wahrscheinlich …«
»Warte«, sagte Bill. »Lass mich raten.« Er stemmte eine Hand auf die Hüfte, reckte die Nase in die Luft und ahmte einen meiner Anfälle »gerechter Empörung« nach – die Pantomime gelang ihm leider nur zu gut.
»Bill«, sagte er, wobei er verächtlich schniefte.
»Für wie dumm hältst du mich? Ich glaube doch nicht an
Weitere Kostenlose Bücher