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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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vernünftiger sei, mit Kopien statt mit Originalen zu arbeiten. Es klang auch ganz plausibel, und ich glaubte selbst an diesen Vorwand
    – bis ich mich vor einem Schaufenster wiederfand.
    Da wurde mir klar, dass ich aus einem anderen Grund nach Bath gefahren war – um mir für die Einladung am Samstag etwas zum Anziehen zu kaufen. Als Gastgeberin konnte ich schließlich nicht in Jeans und Pullover auftreten.
    Nachdem ich also die Briefe kopiert hatte und ein wenig durch die Arkaden und eleganten Straßen dieser schönen georgianischen Stadt geschlendert war, entschloss ich mich zu einem kleinen Ein-kaufsbummel, der dann doch nicht so klein ausfiel.
    Denn als ich ein Kleid gefunden hatte – ein blaues kurzärmeliges Seidenkleid mit einem zarten Blumenmuster –, brauchte ich dazu natürlich passende Schuhe und dies und das, und als ich fertig war, war mein Bestand an Bargeld erschöpft. Warum hatte ich Bill nicht um einen Vorschuss gebeten?
    Doch darüber mochte ich lieber nicht nachdenken.
    Auf Zehenspitzen ging ich nach oben, um meine neuen Sachen zu verstauen, um dann mit unschul-digem Gesicht nach unten zu kommen, in der Hand die Fotokopien. Als Willis senior nach einer Pause von vier Tagen am Spätnachmittag wieder anrief, begrüßte ich ihn mit der Sicherheit eines Prüfungs-kandidaten, der weiß, dass ihm nichts passieren kann.
    »Was darf es denn diesmal sein, Mr Willis?
    Möchten Sie etwas über Tante Dimitys Abenteuer bei Harrod’s wissen? Oder vielleicht sollten wir gar nicht so weit weg gehen und darüber sprechen, wie Tante Dimity ein Stück Garten für die Kaninchen ausgesucht hat?«
    »Es freut mich, Ihre Begeisterung zu hören, Miss Shepherd«, sagte Willis senior. »Es ist beruhigend, dass Sie Miss Westwoods Wünschen mit so viel Eifer nachkommen. Meine Frage betrifft jedoch Tante Dimitys Ausflug in den Zoologischen Garten.
    Können Sie mir die Originalversion dieser Geschichte erzählen?«
    »Tante Dimity geht in den Zoo«, murmelte ich, indem ich die Fotokopien durchblätterte. »Das muss doch hier irgendwo sein …« Aber diese Geschichte war nicht da. Ich sah nochmals Bills In-haltsverzeichnis durch, doch das Ergebnis war das-selbe: In keinem von Dimitys Briefen gab es einen Hinweis auf den Zoobesuch. Zögernd musste ich es zugeben. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Mr Willis. Es scheint keine Originalversion dieser Geschichte zu geben.«
    »Ganz richtig, Miss Shepherd. Vielen Dank. Haben Sie schon Gelegenheit gehabt, sich die Gegend ein wenig anzusehen? Obwohl Ihre Arbeit natürlich Vorrang haben muss.«
    »Seit unserer Ankunft hat es ziemlich viel gereg-net«, sagte ich. »Heute ist es aber etwas klarer, und ich denke, morgen könnte Ihre Karte vielleicht zum Einsatz kommen.«
    »Ich beneide Sie, Miss Shepherd. England im Frühling ist etwas ganz Besonderes. Am liebsten würde ich Ihnen zu einem längeren Ausflug raten, aber leider muss die Arbeit ja auch erledigt werden.« Er verabschiedete sich herzlich und legte auf.
    Ich wandte mich Bill zu, der noch immer mit der Namensliste beschäftigt war. »Warum schrieb Dimity meiner Mutter nichts über den Zoobesuch?«, fragte ich. »Sie erzählt vom Berkeley Square und von dem Leutnant mit dem Hasengesicht, aber in all ihren Erzählungen aus der Kriegszeit ist der Zoo nicht einmal erwähnt.«
    »Eine weitere unangenehme Erinnerung?«, schlug er vor. »Dort hatte deine Mutter sie schließlich getroffen, als sie wie benommen herumlief.«

    »Und was immer es war – es musste kurz davor passiert sein«, sagte ich. »Und warum ist Dimity an dem Tag ausgerechnet dort hingegangen?«
    »Weil sie dort glücklich gewesen war? Weil der Ort sie an eine schönere Zeit erinnerte?«
    »Es muss ein ziemlicher Schock gewesen sein, das ganze Zoogelände leer und verbarrikadiert zu finden … Und trotzdem machte sie den Besuch zum Thema einer ihrer fröhlichsten Geschichten.« Ich blätterte das Manuskript durch. »Weißt du, Bill –
    Dimity sagte zwar, dass sie die Geschichten für mich und meine Mutter schrieb. Aber langsam frage ich mich, ob sie sie nicht auch für sich selbst geschrieben hat.«

    Am nächsten Tag stand ich früh auf. Nachdem ich geduscht hatte, zog ich Shorts, ein T-Shirt, dicke Socken und Wanderstiefel an. Um die Taille band ich mir einen Pullover, falls sich die Sonne wieder zurückziehen sollte, und steckte schließlich die topografische Karte und das Foto ein. Nach einem leichten Frühstück war ich bereit zum Aufbruch.
    Bill

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