und das geheimnisvolle Erbe
der entfernteren Hügel auf dem Foto. »Ich kann es nicht genau sagen – solche Orte können sich mit der Zeit stark verändern –, aber ich glaube … ich glaube, das ist der Kamm, von dem Peter letztes Jahr stürzte. Es ging glimpflich ab, er blieb unverletzt, aber es dauerte eine Weile, bis wir ihn wieder aus dem Ab-grund hochgezogen hatten. An dem Tag waren wir Letzter. Ich hole eben mal ein paar Karten und …«
»Wie wär’s mit dieser?« Ich hielt ihr meine topografische Karte hin.
»O ja, die ist sehr gut«, sagte Emma. »Also, lassen Sie mich mal sehen …« Ihre Augen wanderten zwischen der Karte und dem Foto hin und her, während ihr Finger auf den welligen Konturlinien entlangfuhr. »In den Zeitschriften für Orientierungslauf gibt es oft Preisausschreiben dieser Art«, bemerkte sie. »Aber ich muss sagen, dass ich nie erwartet hätte …« Ihr Finger blieb stehen. »Ich glaube … ja, das muss es sein. Eigentlich hätte ich es gleich erkennen müssen. Er ist viel steiler und stärker bewaldet als die anderen Hügel in dieser Gegend. Er heißt Pouters Hill.«
»Und er ist gleich hinter dem Haus?«
»Er gehört zum Grundstück«, erklärte Emma.
»Ich bin selbst noch nie oben gewesen, aber wenn man dort auf dem Gipfel steht, müsste man genau dieses Panorama von den gegenüberliegenden Bergen zu sehen bekommen.«
»Ist das ein Weg?«, fragte ich und zeigte auf eine gestrichelte Linie, die bergauf führte.
»Ja«, sagte Emma. »Er fängt hinter dem Haus auf der anderen Seite des Baches an.« Sie deutete auf die Stelle. »Hier. Aber nach der Markierung zu urteilen, scheint er nicht ganz einfach zu sein. An Ihrer Stelle würde ich es heute nicht probieren.«
»Mir reicht es im Moment zu wissen, wo er ist.«
Ich erschrak, als eine kalte Nase an meine Hand stieß. Harn erinnerte mich an die Belohnung für sein gutes Benehmen, und er hatte sie sich wahrlich verdient. Geduldig hatte er auf seiner Decke gelegen, während die Menschen endlos geredet hatten.
»Hallo, du Süßer.« Ich kraulte ihn hinter den Ohren und sah Emma fragend an, ob ich ihm ein Plätzchen geben dürfe.
Sie zuckte die Schultern. »Warum nicht, die Kinder können es auch nie lassen …« Harn schienen die Haferflockenplätzchen ebenfalls zu schmecken, er verschlang drei Stück, ehe Emma Einhalt gebot.
»Würde es Sie interessieren, das Haus zu sehen?«, fragte sie.
Inzwischen hatte ich große Lust bekommen, mir etwas die Beine zu vertreten, und auch Ham schien der Rundgang gelegen zu kommen. Als Emma mich durchs Haus führte, tanzte er schwanzwedelnd um uns herum. »Das Haus war in sehr schlechtem Zustand, als wir es kauften – ein Traum für jeden Heimwerker, wie man es in Amerika ausdrückt, und damit ideal für Derek. Wir haben mit Schim-mel und Hausschwamm gekämpft, aber noch mehr gegen den schrecklichen Geschmack unserer Vorgänger. Wir haben allein einen ganzen Sommer gebraucht, bis wir die schreckliche Tapete im Wohnzimmer abgekratzt hatten.«
Die Wände im Wohnzimmer waren jetzt weiß verputzt, doch die Möblierung war, gelinde gesagt, etwas exzentrisch. Der Fernseher thronte auf einem alten, wurmstichigen Altar, und der niedrige Couchtisch bestand aus einer reich geschnitzten Tür, über die eine Glasplatte gelegt war. Ein Paar elegante Louis-XIV-Sessel bildete zusammen mit einem schlichten Rosshaarsofa eine Sitzecke, und auf einem chinesischen Schreibtisch aus schwarzem Lack standen eine viktorianische Petroleumlampe, ein Schwein aus Messing und ein menschlicher Schädel. »Derek bringt alle möglichen Sachen mit nach Hause«, erklärte Emma, »und wir finden, dass ein Familienwohnzimmer auch von der ganzen Familie eingerichtet werden sollte.« Sie deutete auf den Fernseher. »Das ist ein kleiner Scherz von Derek, und die Stühle waren Nells Idee. Ich weiß nicht mehr, wer den Schädel mitgebracht hat, aber Peter hat den Schreibtisch ausgesucht.«
Das Wohnzimmer spiegelte ein lebhaftes Famili-enleben wider. Überall lagen Bücher und Zeitschriften herum und unter dem Sofa lugte ein vergessener Schuh hervor. Unter den Fenstern stand eine hübsche Truhe mit Einlegearbeiten und darauf ein halbvolles Schälchen mit Kirschkernen. Als ich die Truhe sah, fiel mir ein, dass ich Emma nach dem fehlenden Fotoalbum fragen wollte. Sie nickte nachdenklich.
»Nell arbeitete letztes Frühjahr an einem Schul-projekt, irgendetwas über die Rolle der Frauen im Zweiten Weltkrieg. Dimity hatte ihr dafür ein paar Bilder geliehen,
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