und das geheimnisvolle Erbe
gesagt.« Er schlug sich auf die Brust.
»Aber ich bin immer noch da, fast siebzig jetzt, und hatte noch nie Schwierigkeiten mit der alten Pum-pe. Hab das sowieso nie verstanden, warum sie gesunde Jungs rausgeschickt und die mickrigen zu Hause gelassen haben, aber so ist das nun mal.
Man kann vom Militär keinen gesunden Menschenverstand erwarten, hab ich Recht, Paul?«
»Nein, das kann man wirklich nicht, Archie.«
»Aber so ist das überall auf der Welt.« Archie tat einen tiefen Zug und stellte das Glas hin. »Und jetzt erzählen Sie mir mal von diesem Mann, den Sie da suchen.«
Als ich das Wenige, das wir über Bobby wussten, berichtet hatte, spitzte Archie nachdenklich die Lippen. »Er muss also während der Luftangriffe auf London geflogen sein«, sagte er. »Man nannte es
›Die Schlacht von Britannien‹. Sind nicht viele übrig geblieben, die davon berichten können, nicht wahr, Paul?«
Paul schüttelte ernst den Kopf. »Es machte fast überhaupt keinen Sinn, mit den Burschen Freundschaft zu schließen. Sie waren einfach zu schnell wieder weg, verstehen Sie.«
»Heute hier, morgen weg, so war es doch, nicht wahr, Paul?«
»Ein wahres Wort, Archie.«
»Sie haben nicht zufällig ein Bild von diesem MacLaren?«, fragte Archie. »Mein Gedächtnis ist zwar noch ganz gut, aber bei den vielen Jungs, die hierher gekommen sind …«
»Nein«, erwiderte ich, »aber ich habe ein paar Bilder von seiner Freundin.« Ich gab ihm mehrere Fotos aus Dimitys Album. »Das ist Dimity Westwood«, erklärte ich.
»Dimity Westwood hieß sie? Ja, damals kamen viele Freundinnen mit ins Flamborough. Da ging es hier lebhafter zu, nicht wie jetzt, wo es fast ein Museum ist – mit Verlaub, Miss Kingsley.«
»Ist schon gut, Archie, ich weiß, was Sie meinen.
Heutzutage ist es hier wesentlich ruhiger.«
»Zum Gähnen langweilig«, murmelte Archie wie zu sich selbst, wobei er Paul verschwörerisch ansah.
Er strich sich über den Schnurrbart und sah sich die Bilder eingehend an. »Sieht nicht so aus, als ob ich sie kennen würde …« Er unterbrach sich. »Oder doch, Moment mal …«
Wir reckten die Hälse, um zu sehen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er betrachtete eines meiner Lieblingsbilder, auf dem Dimity vor einem Geschäft mit zertrümmertem Schaufenster stand; während sie spitzbübisch in die Kamera lachte, langte sie in die Auslage, als würde sie nach dem Kleid einer umgefallenen Schaufensterpuppe greifen. Archie betrachtete das Foto eine Weile, dann schlug er mit der Hand auf den Tisch. »Die Ballkö-
nigin!«, rief er aus. »Erinnerst du dich, Paul – die schöne Ballkönigin – das ist sie.«
»Ach du lieber Himmel, du hast Recht, Archie.
Das ist sie«, sagte Paul. »Das netteste Mädchen, das man sich nur vorstellen konnte …«
Archie hielt die Hand an den Mund und erklärte im Flüsterton: »Paul hatte ein Auge auf sie geworfen.«
»Ausgerechnet du musst etwas sagen«, gab Paul zurück. »Wenn ich mich nicht irre, warst du selbst ganz schön verknallt in sie.«
»War ich auch, war ich auch«, gab Archie zu.
»Aber wer war das nicht? Sie war … einfach etwas Besonderes. Jemanden wie sie gibt’s nicht alle Tage, sag ich Ihnen. Für Sie mag sie Dimity Westwood sein, aber wir nannten sie nur die Schöne. Sie kam immer mit diesem schottischen Flieger hierher. Ein fürchterlicher Akzent, aber tanzen konnte er prima.
Bobby … ja, Bobby und die Schöne. Was für ein Paar.«
»Der ganze Raum erstrahlte, wenn sie hereinka-men«, sagte Paul.
»Ich hab immer gesagt, sie ruinieren uns noch die Verdunklung – weißt du noch, Paul?«
»Klar, Archie.«
Archie legte Paul einen Arm um die Schultern, und mit feuchten Augen betrachteten die beiden Männer das Foto, ehe Archie es mir zurückgab. Sie tranken ihre Gläser aus und sahen nachdenklich ins Leere.
»Es ist so leicht, sich an die schönen Seiten dieser Zeit zu erinnern«, sagte Archie. »Niemand denkt gern an das andere, aber das war auch da, nicht wahr, Paul?«
»So ist es, Archie.«
»Ich erinnere mich noch genau an das letzte Mal, als die Schöne hier war. An dem Abend kam sie allein, und mir war sofort klar, was es bedeutete.
Ich hatte es schon so oft erlebt, aber trotzdem brach es mir fast das Herz. Ich gab ihr den Zettel mit der Nachricht, und sie ging, ohne ein Wort zu sagen. Danach kam sie nie wieder.«
»Ja, so war das damals«, sagte Paul. »Eben tanzte man noch, und im nächsten Moment …«
»Sie hatten eine Nachricht für
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