und das geheimnisvolle Erbe
Deshalb halte ich mir auch immer die Fehler meines Vaters vor Augen. Es sind zwar so wenige, dass es einen entmutigen könnte, aber auch die wenigen sind hilfreich. Wusstest du zum Beispiel, dass er eine heimliche Schwäche für Ingwer-bier hat?«
»Ist das ein Fehler?«
»Für einen Mann, der mit Montrachet und anderen edlen Weinen groß wurde? Man könnte es beinahe als ernsten Charakterfehler bezeichnen. Wenn es in seinem Club die Runde machte, würde man ihn hinauswerfen. Und bitte, verrate nicht, dass ich es dir erzählt habe.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen.« Wir sahen uns lächelnd an, dann blickte ich auf die schmiedeeiserne Tischplatte. »Weißt du, Bill, ohne dich wäre ich wahrscheinlich nicht noch einmal zu dem Briefwechsel zurückgekehrt. Danke, dass du mir einen Schubs gegeben hast.«
»Keine Ursache.« Das Zirpen ebbte ab und schwoll wieder an, während die Dämmerung langsam in Dunkelheit überging. Bill nahm die Rose aus Reginalds Pfoten. »Entschuldige, Alter, aber es macht dir hoffentlich nichts aus, wenn ich …« Er reichte sie mir. »Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie schön du aussiehst. Diese Farbe steht dir ausgezeichnet.«
Ich wusste nicht genau, ob er das Kornblumen-blau meines Kleides meinte oder die Farbe, die mir jetzt ins Gesicht stieg, daher wechselte ich das Thema. »Ruth und Louise haben uns doch ein gutes Stück weitergebracht, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt.« Bill lehnte sich zurück. »RM.
Robert MacLaren.«
»Genannt Bobby – ein Flieger, der Ende 1940
abgeschossen wurde, kurz bevor Dimity und meine Mutter sich kennen lernten. Ich nehme an, ein Anruf beim früheren Kriegsministerium würde genü-
gen, um das zu bestätigen.«
»Aber weiter könnten sie uns auch nichts erzählen.« Mein Herz schlug schneller, als Bill die Hand ausstreckte, um das Medaillon zu berühren. »Über solche Dinge hat das Kriegsministerium keine Unterlagen. Was immer es ist, das Dimity quält, es kann nicht nur die Trauer um Bobby sein. Irgendetwas muss zwischen ihnen vorgefallen sein, etwas Furchtbares.« Bill stand auf. »Wir bräuchten jemanden, der sie beide gekannt hat.« Er ging in den Flur.
»Wo gehst du hin?«, fragte ich und lief hinterher, so schnell es mir die hohen Absätze meiner neuen Schuhe erlaubten.
»Nach oben, um zu packen«, rief er von der Treppe.
Ich folgte ihm. »Packen? Warum?«
»Ich fahre nach London.« Oben, auf dem Treppenabsatz, drehte er sich um. »Lori, denk doch mal nach. Bobby war Flieger. « Er ging voran in sein Zimmer.
»Ja und?« Ich stand auf der Treppe und runzelte die Stirn, dann schlug ich mir mit der Hand dagegen. Wie konnte man nur so schwer von Begriff sein!, schalt ich mich. »Natürlich! Das Flamborough Hotel!«
Bills Kopf erschien in der Tür. »Volltreffer.«
»Der Gedanke war mir auch kurz gekommen, als wir mit den Pyms sprachen, aber in der Aufregung war er mir wieder entfallen.« Ich stieg die letzten Stufen hoch und stellte mich in die Tür zu Bills Schlafzimmer, während er ein paar Sachen in seine Reisetasche packte.
»Ich werde der gestrengen Miss Kingsley einen Besuch abstatten«, sagte er, indem er ein Hemd vom Bügel nahm, »und hoffentlich herausfinden, ob es noch jemanden gibt, der mit dem Flamborough Telegraph in Verbindung steht. Vielleicht können wir auf diese Weise einen von Bobbys Freunden oder Fliegerkollegen ausfindig machen.«
Er faltete das Hemd zusammen und legte es in die Tasche, dann zog er eine Schublade in der Kommode hervor.
»Warum sagst du dauernd ›ich‹? Du meinst doch
›wir‹, oder?«
Bill nahm ein Paar Socken aus der Schublade und schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht. Du musst hier bleiben, um eventuelle Anrufe von Vater entgegen-zunehmen.« Die Socken flogen in die Tasche.
»Ach so.« Bill hatte Recht. Außerdem konnte ich mich darauf verlassen, dass er die richtigen Fragen stellen und alles Wissenswerte erfahren würde. Es war wirklich nicht nötig, dass ich ihn begleitete.
Warum wurde mir dann aber das Herz so schwer, als er den Reißverschluss der Tasche zuzog?
Er ließ sie auf dem Bett liegen und trat zu mir.
»Ich rufe an, sobald ich etwas erfahre.«
»Ich weiß«, flüsterte ich und sah auf meine Schuhe hinab.
»Ich rufe auch an, wenn ich nichts erfahre.«
»Schön.«
»Ich lasse dir die Nummer vom Flamborough mit Miss Kingsleys Durchwahl hier – damit kannst du mich Tag und Nacht erreichen.«
»Okay.«
Er beugte leicht die Knie und sah mich mit leicht
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