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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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wurde Mensch. Nicht nur dass die ungewöhnliche Glücksfee zweimal ohne Grund lächelte und Rose beim zweiten Mal auf die Schulter klopfte. Sie führte die ihr Anvertrauten zu einem kleinen Laden, der alle Reisenden aus dem Ausland schon deswegen zu entzücken pflegte, weil er vom Wein bis zu den bunten Stoffen und Kräutermischungen die gesamte Produktpalette der Provence bot. Dort sprach Rose das erste Wort seit Betreten des Flughafens. Sie hauchte ein entzücktes »Oh« und dann ein verklärtes »wonderful!«.
    Samy kaufte für Martha eine riesige, durchsichtige Tüte mit Orangen und Zitronen. Die Früchte waren so frisch, dass sie noch am Stiel hingen und Blätter hatten, über die Mieze bestimmt so freudig herfallen würde wie über Petersilie. Danach kaufte der umsichtige Hausvater einen kleinen Stoffbeutel mit getrocknetem Lavendel, den er Rose überreichte. Er hoffte, es würde ihr den Weg in die Normalität erleichtern, wenn sie den Heimatboden nicht wie eine reuige Sünderin betrat, sondern als eine gewöhnliche Touristin - mit einem Souvenir, von dem die Beschenkten nicht wussten, wozu es gut sein sollte, außer zum Zeichen, dass man ihrer in der Fremde gedacht hatte. Rose aber erinnerte sich an die Abfahrt von Nairobi und wie sie damals am Flughafen eine riesige Holzgiraffe gekauft und wie David sie ausgelacht hatte. Sie brach in Tränen aus.
    Ein erneuter Ausbruch an Trauer, der noch heftiger war als der erste, bedingte auch, dass sie nicht mit ihrem Vater sprechen konnte. Abermals dank der Hilfe der wundersam verwandelten Flughafenangestellten rief ihn Samy in seinem Büro an, um die Ankunftszeit zu melden. Bei dieser Gelegenheit stellte er fest, dass es seiner geliebten, bewunderten, diplomatischen Lebensgefährtin tatsächlich gelungen war, den Grund und das Ziel von Samys Reise zu verheimlichen. Er schwor, komme, was wolle, Martha am Abend den Ring mit dem Mondstein zu überreichen. Als er ihr den ersten, noch knappen Reisebericht lieferte, erzählte er: »Der arme Emil hätte ohnehin nicht mit seiner Tochter reden können. Er hat wie ein Kind geschluchzt. Gebe Gott, dass ich das nie wieder erleben muss.«
    Der Flug verlief nur für den Piloten und eine ängstliche Frau in der zweiten Reihe, die abwechselnd um Tüten und um Gottes Beistand flehte, mit Turbulenzen. In Rose’ Wangen aber kehrte die Farbe des Lebens zurück. Auch ihre Augen wurden klarer. Sie aß alles, was ihr die Stewardess brachte, und stets die Hälfte von Samys Portion. Trotzdem hatte er während des ganzen Fluges Angst, das Schicksal könnte ihm seinen Geistesblitz mit den Zwillingen nachtragen und bei Rose würden die Wehen einsetzen. Unmittelbar nach der Landung brach sie zum dritten Mal in Tränen aus. Diesmal nutzte selbst das Taschentuch aus Leinen nicht. Samy ahnte, was in ihr vorging. Er hatte bei der eigenen Tochter erlebt, was ein schlechtes Gewissen, Reue und Scham aus jungen Frauen machten. Seine Rebekka, die als junges Mädchen einen Rattenschwanz von jüdischen Jungen aus den besten Familien in Ekstase versetzt hatte, hatte in ihrer Ehe mit dem nichtjüdischen Graphiker, der immer so wirkte, als müsste er an seinem Zeichenbrett den perfekten Menschen entwerfen, alle Lebensfreude eingebüßt. »Ein Jammer«, sagte Samy. Wie immer, wenn er die Last des Lebens spürte, sprach er Deutsch. Ihm ging das nur auf, weil Rose ihn verblüfft ansah. Er zupfte an ihrem Sicherheitsgurt; für Schwangere war der nicht gedacht, gleichgültig ob sie ein Kind oder Zwillinge erwarteten. »Deine Eltern«, sagte er, »haben genauso viel Angst wie du. Wir wollen es ihnen leicht machen.«
    »Meinst du, Mum kommt auch zum Flughafen?«
    »Wetten dass!« »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe richtig Angst.«
    »Sie auch«, wusste Samy, »was meinst du, wie groß meine Angst war, als Rebekka zum ersten Mal nach Hause kam. Und was glaubst du, war ihr erstes Wort? Sie versteckte sich hinter ihrem Baby und krähte >Ei<.«
    »Ist ihr Kind denn auch unehelich?«
    »Leider nein.«
    In der Ankunftshalle standen Emil, Liesel und Martha um einen Gepäckwagen. Sie winkten wie fröhliche Eltern, die ihr Kind nach einem Austauschjahr im Ausland abholen, und sie sahen aus wie Kinder, die in neue Kleider gesteckt worden sind und Angst haben, sie könnten sich schmutzig machen und blamieren. Für Samy war die Erlösung gewaltig. Er breitete seine Arme aus, um das Glück für alle Zeiten festzuhalten. In diesem Moment, der ihn berauschte wie

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