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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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schöner wird. Der aufmerksame Beobachter setzte behutsam die mit den großen Zauberaugen ab. Wenn er lächelte, leuchteten seine Zähne. Im Augenblick der Seligkeit erinnerte sich Rose an ihre afrikanische Reise und an die Zähne der Menschen dort. Da schon entschwebte sie in den Himmel der Verliebten mit den dümpelnden Wattewolken. Sie konnte, was sie sehr erstaunte, bereits wieder auf einem Fuß stehen und mit dem, der augenscheinlich ihren ersten Befürchtungen zum Trotz weder gebrochen noch für immer unheilbar war, kokett wippen. Ihre Arme waren noch immer um Pascal geschlungen. Er atmete tief ein.
    »Duften alle schönen Mädchen in London nach Lavendel?«
    »Ich bin nicht alle Mädchen.«
    »Aber schön.«
    Die Auslage von Liberty’s, vor der sich nach der kurzen schmerzlichen Ouvertüre nun die erste Szene einer endlosen Geschichte abspielte, zeigte erlesenes Tafelgeschirr, dazu das passende Besteck, hohe Silberleuchter und silberne Etageren mit Kleingebäck aus buntem Kunststoff. Auf dem festlich gedeckten Tisch stand ein Sektkübel, daneben eine zierliche Schale für Kaviar. Sie war mit winzigen schwarzen Perlen gefüllt, in denen ein sehr kleiner Löffel mit einem Perlmuttgriff steckte.
    »Christofle«, sagte Pascal, »das sieht man doch sofort. Unschlagbar sind die.« Er lobte nicht allein aus Gewohnheit und Berufserfahrung. Auch in seiner Freizeit war er nämlich ein überaus intelligenter junger Mann, der es opportun fand, allzeit und jedermann anzuzeigen, dass er sich gut in der großen Welt zu bewegen wusste.
    Rose beschäftigte sich selten mit der Welt jenseits ihrer eigenen Möglichkeiten. Noch war ihrer Phantasie und ihren Wünschen die große Welt verschlossen. Ihr reichte es, dass gelegentlich in ihren Luftschlössern Musikstars und Schauspieler, bekannte Jockeys und Sporthelden verkehrten. Silberne Leuchter wurden in den Wolkenkuckucksheimen dieser Bürgertochter nur am Sabbat angezündet, Kaviar nie serviert. Von der berühmten französischen Firma Christofle, deren Tafelbesteck, Sektkelche und Schalen in alle Welt exportiert werden, hatte sie nie gehört. Als der Mann mit den schwarzen Augen und den kräftigen Armen nun »Christofle« sagte, fand Rose es entzückend wohlerzogen, dass er sich so prompt nach einer Zufallsbegegnung vorstellte. Umso mehr genierte es sie, dass sie außer seinem Namen nichts verstanden hatte. Ihre Unterlippe begann zu zittern.
    »He, was ist denn, Chérie? Du weinst doch nicht schon wieder. Es ist doch alles prima. Ich wette, dass du bald wieder stehen kannst. Komm, Vögelchen, flieg!«
    Sie hörte auf der Stelle auf zu weinen. Ihr gefiel seine Stimme, sie war so weich und beruhigend. »Ich habe«, sagte sie und versuchte, so leise und so singend zu sprechen wie er, »dich nicht richtig verstanden, Christopher?«
    Er stutzte nur einen Moment. Dann wieherte der Beau mit der einschmeichelnden Butterstimme wie ein satter Ackergaul auf einer Sommerwiese. Als ein Genießer, der genau weiß, dass er nie mehr einen so guten Witz hören wird, klatschte er Beifall. Rose vergaß ihren Entschluss, in den nächsten zwei Stunden ihren Fuß graziös in die Höhe zu halten. Sie stellte sich auf beide Beine, als wäre sie nie ein hilfloser, bedauernswerter Invalide gewesen. Lachend klatschte sie mit.
    Noch konnte Pascal sich nicht erklären, wie es zu der Verwechslung gekommen war, doch er fand sie ungemein niedlich, für einen Mann besonders reizvoll und irgendwie typisch für die englischen Mädchen. Auf den ersten Blick waren sie alle ein bisschen burschikos und wirkten wie mit Kernseife abgeschrubbte Küchentrampel, aber sie waren wahrhaftig nicht ohne Charme und hatten, wenn man sich nur die Mühe machte, sie aus der schauderhaften Unterwäsche zu schälen, in die sie sich einwickelten, das gewisse Etwas. Pascal pfiff zwei Takte von einer Melodie, an die er seit Monaten nicht mehr gedacht hatte, und spendierte dem Mädchen, das ihn auch bei allergenauestem Hinsehen entzückte, ein Lächeln, von dem er wähnte, er hätte es zu Hause gelassen.
    »La vie en rose«, erklärte er.
    »Oh«, staunte Rose.
    Am liebsten hätte Pascal nach Hause telefoniert, um seinen Kumpeln zu berichten, was einem jungen Mann in London alles passieren konnte, selbst wenn er ursprünglich nur vorgehabt hatte, für ein paar Monate seinen beruflichen Horizont zu erweitern. Rose hatte einen ähnlichen Wunsch nach Kontakt mit ihrer Welt. Sie hätte gern Betsy an ihrer Seite gewusst, damit die

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