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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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kannte Pascal keine Schriftsteller, doch dass er spontan ein so passendes Beispiel gefunden hatte, um seine Bewunderung für Rose’ Vater auszudrücken, verblüffte ihn und beeindruckte sie. Sie saßen, als sie die ersten Details ihres Lebens und dazwischen den ersten Kuss austauschten, der über eine flüchtige Begegnung der Lippen hinausging, in einer Örtlichkeit, die weder einladend noch es wert war, sich ihrer länger als nötig zu erinnern. Ohne Eisregen, ohne Drohungen aus pechschwarzen Wolken und ohne den lädierten Knöchel wären sie bestimmt eine Straße weiter gezogen. Die Räumlichkeit hatte weder die traditionelle Gemütlichkeit der Tearooms, die Pascal an die Wohnstube seiner Großmutter mit Samtgardinen und Veloursofa erinnerten, noch die landestypische Atmosphäre der Pubs, von der Menschen vom Kontinent selbst dann zu schwärmen pflegen, wenn sie noch nie in einem Pub gesessen haben.
    Das kuriose Lokal, das der feixende kleine Eros, der sonst am Picadilly Circus mit gespitztem Pfeil Dienst tut, ausgesucht hatte, um seinen Bogen zu spannen, hieß schlicht »Bistro«. Es hatte ein ebenso schlichtes Namensschild und eine noch schlichtere Speisekarte. Immerhin bot das Bistro in gewissen Situationen gewisse Vorteile: Für Londoner Verhältnisse waren die Preise erstaunlich niedrig, trotz der Gäste fördernden Uhrzeit war noch nicht einmal die Hälfte der Tische besetzt, und zudem lag die ungemütliche Stätte nur den berühmten Steinwurf von Libertys entfernt und war selbst für eine Rekonvaleszentin, die stärker humpelte, als sie es hätte tun müssen, in vier Minuten zu erreichen.
    Die kleinen runden Marmortische im Bistro waren schmuddelig und wurden, wenn ein Gast Tee oder Bier verschüttete, mit einem ebenso schmuddeligen Lappen abgewischt, geschwenkt von einem etwa vierzehnjährigen Mädchen mit dicken Beinen und in einem so kurzen Mini, wie ihn selbst Rose noch nie gesehen hatte. Die Fenster waren fühlbar undicht, der braune Vorhang vor der Tür zu dünn, um die Zugluft vom Eingang fern zu halten. Der ältere Kellner schlurfte an die Tische, als wäre er und nicht der bezaubernde Gast am Tisch vor dem Plakat, auf dem ein schwarzer Kater aus einer Absinthflasche trank, auf Glatteis ausgerutscht. Die Aschenbecher aus Aluminium machten den Anschein, als wären sie monatelang nicht mehr geleert worden. Vor der Theke schnarchte ein Hund mit feuchtem, stark riechenden Fell auf einer Decke, die ursprünglich hellblau gewesen war. Der Burgunder allerdings, den Pascal bestellte, weil er der einzige Wein war, der offen ausgeschenkt wurde, war ein gastronomisches Mirakel. Er stammte noch aus der Zeit, als das Bistro eines nach Pariser Vorbild gewesen war, und kam tatsächlich aus dem Burgund.
    »Wo der herkommt«, seufzte Pascal mit den halb geschlossenen Augen des Genießers, »schmecke ich beim ersten Schluck. Santé, Mademoiselle!« »Santé!«, ahmte Rose seine Stimmlage nach. Im allerletzten Moment hielt sie sich davon ab, auch »Mademoiselle« zu sagen. Sie wünschte, die Französischlehrerin, die für die Schülerin Rose Procter während der gesamten Schulzeit nie ein gutes Wort gefunden hatte, könnte sie sehen. Als sie vom geflügelten Ross ihrer Phantasie wieder abstieg, leckte sie ihre Lippen zu neuem Glanz. »Ich verstehe nichts von Wein, aber ich trinke ihn wahnsinnig gern«, schwindelte sie behend. »Besonders den roten. Der sieht so lustig aus.«
    Pascal begriff, dass er ganz leichtes Spiel haben würde. Er lächelte. Sehr männlich und ein bisschen weltmännisch. Gut gelaunt beschäftigte er sich mit der Kardinalfrage. War der auf einer zugefrorenen Pfütze ausgerutschte schwarzhaarige Engel ein Kind, oder war sie vielleicht doch eine Frau, die aus einem klugen Mann einen furchtbaren Narren machen würde? War diese schöne Unschuld ein Geschenk des Himmels oder nur die Versuchung einer Nacht? Ein Mann, der nicht vom Schicksal überrumpelt werden wollte, musste sich entscheiden, ehe für ihn entschieden wurde. Das hatte Pascal früh von seinem älteren Bruder gelernt - allerdings, als es für den Bedauernswerten zu spät war. Gaston, der viel bewunderte und tief abgestürzte Lieblingssohn des Vaters, hatte sich in ein bildschönes junges Mädchen mit Mandelaugen und schnurrender Stimme verliebt, und innerhalb von drei Wochen war die schöne Katze zu einer Mutter mit zwei greinenden Kindern mutiert.
    »Wie viel Kinder hast du?«, fragte Pascal. Er musste den Schülerdrang unterdrücken,

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