und das Goldene Dreieck
sobald sie den nächsten Kamm erreichten und sich ausruhten. Cyrus hatte man mysteriöserweise verschleppt, Ruamsak lag tot in Chiang Mai, und der einzige, der ein bißchen Licht in die Sache bringen könnte, marschierte vor ihr her, und aus einem ihr unbekannten Grund befand er sich offenbar in Lebensgefahr. Inzwischen - sie warf wieder einen Blick auf ihre Uhr - hatten die zwei jungen Männer, die versucht hatten, Bonchoo zu töten, vermutlich den blauen Lieferwagen am Straßenrand gefunden, und wenn sie immer noch entschlossen waren, Bonchoo umzubringen, würde es ihnen nicht schwerfallen festzustellen, wohin sie gegangen waren, und sie würden ihnen folgen. Einen Augenblick sah sie, in ihrer Müdigkeit seltsam gleichmütig, wie sie und Bonchoo Cyrus folgten, der irgendwo vor ihnen sein mußte, und wie die zwei Naklengs sie beide verfolgten. Und da war sie, Emily Pollifax, nun in einem Urwald in Nordthailand und beeilte sich, mit einem Mann Schritt zu halten, den sie kaum kannte. Ihre Gedanken schweiften zurück zu einer sonnigen Küche, und sie hörte Bishop sagen: »Es ist nur eine ganz kleine Sache... Sie brauchen lediglich ein Päckchen abzuholen...« Sie war entsetzt über seine Naivität, und seine Kurzsichtigkeit ärgerte sie jetzt.
Doch trotz ihres Ärgers und ihrer wachsenden Erschöpfung stapfte sie weiter hinter Bonchoo her. Sie mußte erfahren, warum man Cyrus entführt hatte, was man von ihm wollte und was seine Entführer mit ihm tun würden, wenn sie feststellten, daß er ihnen nicht von Nutzen war. Sie wußte nicht einmal, wer diese Entführer waren, und diese Unwissenheit, diese Hilflosigkeit, machten sie wütend. Sie blickte die wirre Wand aus Bäumen hoch, die sich dem Himmel und der Sonne entgegenreckten, und plötzlich erschien ihr der Wald finster und drohend. Es war besser, auf den Pfad zu blicken, so senkte sie die Augen, schüttelte den Kopf, biß die Zähne zusammen und setzte einen schmerzenden Fuß vor den andern. Ihre Beine zitterten von dem anstrengenden bergauf und bergab, und sie war durstig.
»Wir sind gleich da!« rief Bonchoo.
Sie hob den Blick: Sie hatten die verbrannte Erde erreicht, wo bereits zartes Grün zu wachsen begann.
»Hier auf den Bergen entstehen Felder durch Brandrodung«, erklärte Bonchoo. »Sie werden bearbeitet, bis die Erde auslaugt, dann rodet man ein neues Feld.« Sie stapften zur andern Seite, wo Mrs. Pollifax sich dankbar auf einen vom nahen Wald beschatteten Felsbrocken fallen ließ.
»Bitte, etwas zu trinken!« ächzte sie.
Er reichte ihr eine lauwarme Cola. »Nicht zu gierig!« warnte er. »Wir haben nur noch zwei Flaschen, und Sie - als Farang - dürfen unser Wasser nicht trinken!«
»Es ist so schön naß!« Sie leckte sich die Lippen. »Wir machen nur fünfzehn Minuten Pause. Essen Sie!« Er gab ihr ein hartgekochtes Ei.
Sie erholte sich; bloß zu sitzen, war schon herrlich. Sie stellte die Cola ab und schälte das Ei. Nach einem Blick auf Bonchoo, der es sich mit überkreuzten Beinen im Gras bequem gemacht hatte, sagte sie: »Es wird Zeit, daß Sie reden, Bonchoo... Diese Männer wollten Sie umbringen, und ich möchte wissen, warum.«
Er nickte. »Ja, und Sie haben den zweiten niedergeschlagen und mir so das Leben gerettet. Ich bin Ihnen dankbar - viele Gutpunkte für Sie!«
»So dankbar«, sagte sie trocken, »daß Sie mir erklären, in was ich da hineingeraten bin? Ich habe mir schließlich bloß eine Hütte mit Bougainvilleen am Zaun angesehen, und jetzt hat man meinen Mann entführt und ich sitze auf einem Berg im Dschunge l mit Ihnen.«
Er nickte. »Das stimmt, ja... okay.« Er überlegte kurz. »Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen.«
»Ja, tun Sie das!«
Er holte tief Luft. »Um am Anfang anzufangen: Ich wohne in Chiang Säen, genau wie mein Freund Ruamsak, der mich um Hilfe bat.«
Sie bemühte sich, bei dem Namen Ruamsak keine Reaktion zu zeigen. »Das ist die Stadt an der Grenze?« fragte sie kühl.
Er nickte. »Ja. Dort wohnt auch ein Amerikaner, der sich Jacoby nennt - nun ja, vielleicht ist das sein echter Name, vielleicht auch nicht.«
»Jacoby«, echote sie und Ruamsak, fügte sie in Gedanken triumphierend hinzu, denn endlich gab es eine Verbindung, die sie verstehen konnte. »Als die Amerikaner hier stationiert waren«, fuhr Bonchoo fort, »kam dieser Jacoby mit dem CIA, aber er begann, Rauschgift zu nehmen, und als die Amerikaner dann 1976 Thailand verließen, blieb er. In Chiang Säen gibt es immer Drogen,
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